2 Jahre „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ I Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit zu den Umsetzungserfolgen des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“
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Rathaus Umschau 93 / 2021, veröffentlicht am 18.05.2021
2 Jahre „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ I Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit zu den Umsetzungserfolgen des Volksbegehrens „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Nicola Holtmann, Dirk Höpner, Hans-Peter Mehling, Tobias Ruff und Rudolf Schabl (Fraktion ÖDP/FW) vom 12.2.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Ihrer Anfrage hat folgenden Inhalt:
„Am 13. Februar jährt sich das bayernweit erfolgreichste Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern ‚Rettet die Bienen!‘ zum zweiten Mal. Mit über 20% Beteiligung haben die Münchner dem Stadtrat einen unmissverständlichen Auftrag für einen durchsetzungsstarken Natur- und Artenschutz gegeben. Im November 2019 wurde eine Biodiversitätsstrategie auf Basis des Volksbegehrens und des neuen bayerischen Naturschutz entwickelt. Jetzt gilt es aufzuzeigen, dass sie mehr wert ist als das Papier, auf dem sie steht.
Deshalb fragen wir den Oberbürgermeister:
1. Inwiefern werden Konzepte, wie z.B. Mähkonzepte von Parkanlagen oder Straßenbegleitgrün, im Hinblick auf den Artenschutz weiter entwickelt?
2. Welche Projekte mit dem Ziel des Natur- und Artenschutzes wurden umgesetzt bzw. befinden sich in der Umsetzung oder in der Planung?
3. Wird ein Monitoring zur Entwicklung der Artenvielfalt oder Fluginsekten-Biomasse in München durchgeführt?
4. Welche Konzepte werden entwickelt, um dem gesteigerten Bedarf an Grün- und Erholungsflächen als wesentlichem Faktor für Naherholung, Lebensqualität und Naturerfahrungsmöglichkeiten der wachsenden Münchner Bevölkerung gerecht zu werden?
5. Wer sind die Teilnehmer und wie ist der aktuelle Arbeitsstand der stadtinternen ‚Umsetzungsgruppe Biodiversitätsstrategie?‘“
Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Zunächst bedanke ich mich für die Fristverlängerung und kann jetzt die einzelnen Punkte, unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Baureferates, des Referates für Stadtplanung und Bauordnung/Grünplanung und Untere Naturschutzbehörde sowie des Kommunalreferats, Ihrer Anfrage wie folgt beantworten:
Frage 1:
Inwiefern werden Konzepte, wie z.B. Mähkonzepte von Parkanlagen oder Straßenbegleitgrün, im Hinblick auf den Artenschutz weiter entwickelt?
Antwort:
Da die Frage nicht in den Zuständigkeitsbereich des RKU fällt, wurde das Baureferat um Beantwortung gebeten. Das Baureferat nimmt wie folgt Stellung:
„Öffentlichen Grünanlagen kommt in einer hochverdichteten Großstadt neben ihrer ökologischen und klimatischen Funktion eine vorrangige Erholungs- und Freizeitfunktion für unterschiedliche Nutzungsgruppen zu. Trotz ihrer zentralen Funktion als Erholungsflächen für die Stadtgesellschaft beherbergen öffentliche Grünanlagen aber auch wichtige Lebensräume für zahlreiche wildlebende Tiere und stellen einen großen Teil an naturschutzfachlich bedeutenden Flächen dar. In München dienen etwa 35% der Grünflächen in öffentlichen Grünanlagen der intensiven Freizeit- und Erholungsnutzung, 45% der Flächen bestehen aus Gehölzflächen (30% Bäume und Sträucher) und artenreichen Wiesen (15%). Mit der praktizierten Flächenaufteilung kann ein Strukturreichtum zur Förderung der Artenvielfalt und zugleich die erforderliche Erholungs- und Freizeitnutzung gewährleistet werden.
Entsprechend dem Leitbild der von der Vollversammlung des Stadtrats am 19.12.2018 beschlossenen ‚Biodiversitätsstrategie München‘ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V13218) werden die Grünflächen in den städtischen Grünanlagen und Parks vom Baureferat unter Berücksichtigung der Nutzungsintensität so naturnah wie möglich angelegt und gepflegt. Die ‚Biodiversitätsstrategie München‘ stellt im Handlungsfeld 10 (Biodiversität im öffentlichen Grün) insbesondere darauf ab, dass auf Flächen mit geringer Nutzungsintensität innerhalb öffentlicher Grünflächen alle Potenziale genutzt werden sollten, um den Anteil an naturnahen Wiesen weiter zu erhöhen. Dort wird vom Baureferat in enger Abstimmung mit den
Bezirksausschüssen kontinuierlich geprüft, ob eine Reduktion der Mahdhäufigkeit möglich ist. Aus diese Weise stehen heute in den öffentlichen Grünanlagen und Ausgleichsflächen rund 700ha arten- und blütenreiche Langgraswiesen als Habitate für Insekten und andere Lebewesen zur Verfügung.
Die in städtischen Grünanlagen eingesetzte Mähtechnik ist im Wesentlichen durch die Nutzungsart und -intensität der jeweiligen Flächen bestimmt: Um die Bespielbarkeit zu gewährleisten, müssen Spiel- undLiegewiesen in den Parks und Grünanlagen mehrmals jährlich gemäht werden. Dabei wird das Schnittgut in der Regel zerkleinert und verbleibt auf den Flächen als natürlicher Dünger. Nur auf diese Weise kann der auf diesen Flächen erforderliche strapazierfähige Rasen mit dichter Grasnarbe geschaffen bzw. erhalten und auf künstliche Düngung verzichtet werden. Demgegenüber wird bei Langgras- oder Blumenwiesen in der Regel das Mähgut aufgenommen und abtransportiert. Dies hat gleichzeitig einen Nährstoffentzug zur Folge, der die Dominanz der Gräser zu Gunsten der krautigen Blütenpflanzen zurückdrängt.
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Abnahme der Strukturvielfalt der Landschaft in Deutschland gewinnt die ökologische Aufwertung des Straßenbegleitgrüns eine immer höhere Bedeutung. Mit dem Ziel, die Artenvielfalt zu fördern, wurde am 17.7.2019 infolge des Volksbegehrens ‚Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!‘ das zweite Gesetz zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern (Gesamtgesellschaftliches Artenschutzgesetz – Versöhnungsgesetz) beschlossen. Der Berücksichtigung naturschutzfachlicher Ziele bei der Anlage und der Unterhaltung des Straßenbegleitgrüns wurde in diesem Zuge durch die Ergänzung des Artikels 30 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes um folgenden neuen Absatz 2 ein wesentlich stärkeres Gewicht als bisher eingeräumt:
‚(2) Begrünte Teile der Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen, Böschungen und sonstige straßenbegleitende Grundstücksteile (Straßenbegleitflächen) sind bei Staatsstraßen mit dem Ziel zu bewirtschaften, die Luftreinhaltung, die Artenvielfalt und den Biotopverbund zu fördern. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit und vorbehaltlich der Verkehrssicherheit sollen bei Staatsstraßen die Straßenbegleitflächen als Magergrünland bewirtschaftet und Lärmschutzanlagen begrünt werden. Den Landkreisen und Gemeinden wird empfohlen, bei Kreis- und Gemeindestraßen entsprechend zu verfahren.‘
Häufigkeit, Zeitpunkt und Arbeitsverfahren, also die Art der Pflege, beeinflussen die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren des Straßenbegleitgrüns. Bereits in der Vergangenheit hat das Baureferat im Straßenbegleitgrün auf geeigneten, größeren zusammenhängenden Flächen, wie z. B. an der Willy-Brandt-Allee, Magerstandorte mit artenreichen Wildblumenwiesen entwickelt. Die Entwicklung von bestehenden Rasenflächen hin zu artenreichen Wildblumenwiesen erfolgte dabei durch eine Reduzierung der Mahd auf ein- bis dreimal jährlich mit Schnittgutaufnahme und ggf. durch eine zusätzliche sogenannte Impfung der Flächen mittels Aufreißens derGrasnarbe und Einbringung entsprechenden Saatgutes. Dabei hat sich gezeigt, dass eine artenreiche Wildblumenwiese nur auf gut besonnten Flächen entstehen kann. Das Aufreißen der Grasnarbe und die Impfung mit Saatgut ist in Baumwurzelbereichen nicht möglich.
Der Großteil des innerstädtischen Straßenbegleitgrüns in München bietet wegen der Bepflanzung mit Bäumen, der dadurch resultierenden Durchwurzelung des Bodens sowie der Verschattung durch Bäume und durch anliegende Gebäude nicht die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung von artenreichen Wildblumenwiesen. Allerdings könnten bei extensiver Mahd mit Mähgutaufnahme im Straßenbegleitgrün Langgraswiesen als Magergrünland entstehen, welche zwar nicht die gleiche ökologische Wirkung erzielen wie artenreiche Wildblumenwiesen, jedoch im Vergleich zu mehrfach gemähten, kurzen Rasenflächen unter ökologischen Gesichtspunkten eine wesentliche Verbesserung als Habitate für Insekten und Kleinlebewesen darstellen können.
Das Straßenbegleitgrün ist kraft Gesetz ein Bestandteil der Straße. Die Art der Pflege des Straßenbegleitgrüns muss daher neben ökologischen Zielen immer auch weitere Aspekte zwingend berücksichtigen. Zu nennen sind hier insbesondere die Sicherstellung der Funktion des Straßenbegleitgrüns für die Straße, die Verkehrssicherheit, die Wirtschaftlichkeit sowie die Arbeitssicherheit für die Beschäftigten. Alle diese Aspekte sind bei der Entwicklung und Konzeptionierung von Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen des Straßenbegleitgrüns in Einklang zu bringen. Aus Verkehrssicherungsgründen sind beispielsweise notwendige Sichtbeziehungen unter den Verkehrsteilnehmern sicherzustellen oder bei Starkregenereignissen ist zu verhindern, dass Langgras auf die Fahrbahn kippt. Sowohl zur Reduzierung des Gefahrenpotenzials bei der Durchführung von Pflegearbeiten für Verkehrsteilnehmer*innen und Betriebspersonal als auch aus wirtschaftlichen Gründen sollten dies vorrangig maschinell und mit möglichst wenig Arbeitsschritten durchgeführt werden.
Das Baureferat beabsichtigt, die Entwicklung und Pflege von Langgraswiesen im innerstädtischen Straßenbegleitgrün in diesem Jahr zu erproben. Da bestehende Verträge zur Pflege des Straßenbegleitgrüns im Stadtbezirk Schwabing-West in 2021 auslaufen, sollen dort unterschiedliche Pflege- und Mähmethoden im Rahmen eines Pilotversuches erprobt werden, um die notwendigen Erkenntnisse betreffend Mähhäufigkeit, Kosten und ökologischer Wirksamkeit zu gewinnen. Die Erprobung erfolgt in enger Abstimmung mit dem örtlichen Bezirksausschuss. Abhängig vom Ergebnisbeabsichtigt das Baureferat, ein entsprechendes Mähkonzept für das gesamte Straßenbegleitgrün dann stadtweit weiterzuentwickeln.“
Frage 2:
Welche Projekte mit dem Ziel des Natur- und Artenschutzes wurden umgesetzt bzw. befinden sich in der Umsetzung oder Planung?
Antwort:
Für Arten mit kritischer Bestandssituation in München, insbesondere für solche mit besonderer Schutzverantwortung der Landeshauptstadt München, laufen erfolgreich einzelne Artenhilfsprogramme (AHP). Bereits seit 2008 laufen die ersten AHPs für hochgradig bedrohte Pflanzenarten (z. B. Labkraut-Wiesenraute, Trollblume und weitere), welche vom RKU gefördert in enger fachlicher Abstimmung und vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) durchgeführt werden. Auch bei den Tieren gibt es einige erfolgreich laufende AHPs. So gibt es unter anderem seit 2009 das Projekt „Die Wechselkröte im Raum München“, welches zum Ziel hat, die vom Aussterben bedrohte Wechselkröte langfristig zu erhalten. In München gibt es jedoch noch weitere, besonders schützenswerte Arten, die sich in prekärer Bestandssituation befinden. Daher ist gemäß der in der Vollversammlung des Stadtrats am 19.12.2018 beschlossenen „Biodiversitätsstrategie München“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V13218) eine Ausweitung der AHPs auf weitere Arten vorgesehen. Derzeit laufen dazu erste Vorarbeiten am RKU. Allerdings gibt es für eine detaillierte Ausarbeitung und die Durchführung weiterer AHPs bislang weder personelle Kapazitäten noch finanzielle Ressourcen.
Die Biotoppflegemaßnahmen (auf Privatflächen) wurden ausgeweitet. Der finanzielle Rahmen wurde um 85.000 Euro auf 220.000 Euro aufgestockt. Dadurch konnten sechs neue Gebiete, darunter das Naturschutzgebiet „Schwarzhölzl“ und artenreiche Glatthaferwiesen am geschützten Landschaftsbestandteil „Langwieder Heide“ zusätzlich in Pflege genommen werden.
Des Weiteren sind drei Natur-Projekte zu nennen, die die Untere Naturschutzbehörde betreut bzw. mit begleitet:
Die Untere Naturschutzbehörde im Referat für Stadtplanung und Bauordnung führt hierzu aus:
„BayernNetzNatur-Projekt Aubinger Moos
Dieses Projekt, das bereits 2003 begonnen und seit 2009 ohne Unterbrechung weitergeführt wird, hat die Schwerpunkte Beratung von Land-wirt*innen hinsichtlich der Förderung umweltschonender Bewirtschaftungsmethoden sowie von Biotoppflegemaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung, Ausloten der Bereitschaft der Landwirt*innen zu Tausch oder Verkauf von naturschutzrelevanten Flächen und Durchführung von Artenschutzmaßnahmen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit bzw. Umweltbildung werden jedes Jahr 1 - 2 Exkursionen mit Grundschulklassen durchgeführt und ein Infostand im Rahmen des ‚Vier-Höfe-Festes‘ aufgebaut.
Interkommunales Biodiversitätsprojekt Dachauer Moos
Dieses Projekt wurde im Zeitraum von 2014 - 2020 durchgeführt mit den Schwerpunkten auf Flächenankäufen, Renaturierungsmaßnahmen und Artenschutzmaßnahmen. Darüber hinaus wurden ein Pflege- und Entwicklungskonzept für das Naturschutzgebiet Schwarzhölzl erarbeitet und ein Fotowettbewerb, eine Wanderausstellung sowie verschiedene öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchgeführt. Nach Ende der Förderperiode 2020 hat der Dachauer Moosverein die Koordination zur Weiterführung der angestoßenen Maßnahmen übernommen.
Interkommunales BayernNetzNatur-Projekt NaturErholung Isartal
Die Bearbeitung der seit ca. 2010 aufgegriffenen Problematik der Nutzungskonkurrenz von Mountainbiken und Naturschutz/Erholung mündete 2013 in das interkommunale BayernNetzNatur-Projekt NaturErholung Isartal. Auf der Grundlage einer umfangreichen Bestandsaufnahme wurde 2017 ein Erholungslenkungskonzept erstellt. Voraussetzung für dessen Umsetzung ist insbesondere die Klärung der Trägerschaft für das Projektgebiet, das sich vom Marienklausensteg im Süden von München bis nach Schäftlarn erstreckt, sowie der Einsatz von Gebietsbetreuer*innen/Ranger*innen. Die Mittel für die Gebietsbetreuung wurden seitens der LHM bereits eingestellt, die Übernahme der Trägerschaft ist noch nicht abschließend geklärt.“
Zusätzlich gibt es eine Reihe an Aktivitäten des Kommunalreferates (KR) mit direktem und indirektem Bezug zum Erhalt der Artenvielfalt.
Das Kommunalreferat führt hierzu aus:
„Die städtische Forstverwaltung (FV) bewirtschaftet rund 5.000ha Waldfläche nach FSC bzw. Naturland-Zertifikat. Das Naturschutzkonzept der FV beinhaltet u.a. folgende Maßnahmen: Förderung von Totholz für mehr ökologische Nischen, Förderung von Biotopbäumen und Biotopbaumgruppen sowie Förderung seltener Baumarten wie Eibe. Zu den laufenden Maßnahmen gehört weiterhin die Renaturierung des ÖkokontogebietesMoosschwaige, das eines der wenigen reliktischen Moore um München darstellt. Zusätzlich ist geplant ein weiteres Ökokonto mit ca. 80ha im Bereich Unterpfaffenhofen/Streiflach zu entwickeln. Auch die Stadtgüter München (SgM) engagiert sich seit Langem für die Lebensraumqualität und für die Wildflora und -fauna auf den landwirtschaftlichen Flächen der LHM, um die dortige Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. So bewirtschaften acht der zehn städtischen Gutsbetriebe ihre Flächen nach den Vorgaben des biologischen Landbaus (Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und mineralischen Düngern), auf den zwei konventionellen Gütern erfolgt der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nach dem Minimalprinzip (u. a. kompletter Verzicht von Glyphosat seit 2012). Auf den beiden ökologischen Gütern Riem und Großlappen sowie auf dem konventionellen Gut Dietersheim werden im Rahmen der Fruchtfolge zudem jeweils 30% der Fläche stillgelegt. Hier findet keine Düngung und kein Pestizideinsatz statt. Gemäht wird erst nach dem 15. Juli. So bleiben die Flächen bis weit in den Sommer ungestört. Diese Grünbrachen bieten Wiesenbrütern, Insekten und kleinen Säugern wertvolle Rückzugsräume, in denen sie Nahrung, Brutmöglichkeiten und Deckung finden.“
Auch im Rahmen der Bauleitplanung werden Projekte mit Bezug zum Artenschutz durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Abteilung II/5 (Grünplanung), initiiert. Bei der Bestandsaufnahme der floristischen und faunistischen Ausgangssituation wurden im Gebiet der ehemaligen Bayernkaserne (Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 1989) gezielt Wildbienen erfasst. 2013 wurden dabei insgesamt 58 Wildbienenarten gefunden, darunter auch einige seltene bzw. gefährdete Arten. Die Erarbeitung eines Fachkonzeptes (2014) ermöglichte es, auf dem Gelände Ersatzhabitate für die Wildbienen zu schaffen, die halfen, die Populationen vor Ort zu stärken. Da nach Satzung und im Zuge der Baufeldfreimachung diese Habitate nicht mehr zu halten waren, erfolgte Anfang 2018 eine Umsiedlung von besiedelten Bodensoden und Nistkästen auf Flächen in der Lindberghstraße sowie in der Grünen Mitte. Mit dem dreijährigen Monitoring dieser Flächen (2018 - 2020) konnte nachgewiesen werden, dass die Anzahl der dort lebenden Wildbienenarten seit der Umsiedlung deutlich gestiegen ist (2018: 42 Arten, 2020: 59 Arten, darunter auch stadtbedeutsame und Rote-Listen-Arten).
Frage 3:
Wird ein Monitoring zur Entwicklung der Artenvielfalt oder Fluginsekten-Biomasse in München durchgeführt?
Antwort:
Unter Federführung des RKU wurde die Biodiversitätsstrategie für die LHM erarbeitet und am 19.12.2018 von der Vollversammlung des Münchner Stadtrates verabschiedet (Sitzungsvorlage-Nr. 14-20/V13218). Ziel der Biodiversitätsstrategie ist die Sicherung der biologischen Vielfalt, welche durch ein langfristiges Monitoring überwacht werden soll. Speziell im städtischen Umfeld mit einem stetigen Wandel durch Bebauung ist mit einem Verlust naturschutzfachlich hochwertiger Flächen bzw. Artvorkommen zu rechnen. Gleichzeitig wurden jedoch auch Ersatzflächen zur Kompensation geschaffen. Ein Instrument, das diese Flächen systematisch erfasst, liegt für München derzeit nicht vor und die bestehende Datengrundlage ist zum Teil über 20 Jahre alt. Eine Aussage über den aktuellen Zustand der biologischen Vielfalt in München ist daher nicht möglich. Das Biodiversitätsmonitoring der Landeshauptstadt München schließt diese Lücke und Veränderungen werden systematisch erfasst.
Das RKU hat gemeinsam mit dem Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH (PAN) ein Konzept zum Monitoring der biologischen Vielfalt erarbeitet. Die Durchführung des Monitorings wurde am 27.11.2019 vom Stadtrat beschlossen und das RKU mit der Durchführung beauftragt (Sitzungsvorlage-Nr. 14-20/V16520). Der Zeitraum für die Ersterfassung des Monitorings ist für die Jahre 2021 - 2024 angesetzt. Für die Ausschreibung und Betreuung von Geländeerhebungen sowie für die RKU-intern vorgesehene typbezogene Bilanzierung von Lebensraumverlusten und -zugewinnen wurde eine Personalstelle (1 VZÄ) geschaffen, welche im Mai 2020 besetzt wurde.
Im Rahmen des Monitorings werden unter anderem auf geeigneten Untersuchungsflächen Arten mit besonderer Schutzpriorität für die LHM erhoben. Folgende Artengruppen sind im Monitoringkonzept vorgesehen: Brutvögel, Amphibien, Libellen, Heuschrecken, Tagfalter, Wildbienen, Laufkäfer, Wanzen, Mollusken, Makrozoobenthos und Gefäßpflanzen. Die Artengruppen werden in einem Zeitraum von vier Jahren (2021 - 2024) erfasst. Das Monitoring wird dabei an die einzelnen Artengruppen angepasst (Anzahl der Erfassungen, Zeitpunkt, Untersuchungsflächen usw.) durchgeführt. Im Jahr 2021 findet der erste Teil des Monitorings statt und wurde bereits an externe Büros oder Einzelpersonen vergeben. 2021 werden Libellen, Amphibien, Heuschrecken, Tagfalter und Gefäßpflanzen erfasst. Die anderen Artengruppen folgen in den kommenden drei Jahren. Es ist vorgesehen, dass das Monitoring alle sechs Jahre wiederholt wird.
Ein spezifisches Monitoring der Fluginsekten-Biomasse wurde vorab intensiv diskutiert. Am Ende wurde dieser Ansatz jedoch verworfen. Zur Erfassung der Fluginsekten-Biomasse müssten im Stadtgebiet von München zahlreiche Fallen aufgestellt werden, welche die Fluginsekten kontinuierlich automatisiert fangen, abtöten und konservieren (Malaise-Fallen, Kreuzfensterfallen o. ä.).
Dies ist aus mehreren Gründen kaum umsetzbar. Zum Einen müssten die Standorte so gewählt werden, dass diese repräsentativ für München bzw. verschiedene Lebensraumtypen und Standorte unterschiedlicher Nutzungsintensität wären. Dazu wäre eine sehr hohe Anzahl an Fallen notwendig, was mit einem enormen Arbeitsaufwand verbunden wäre. Die Fallen müssten regelmäßig (i. d. R. 14-tägig) geleert werden und die Biomasse mit standardisierten Methoden bestimmt (gewogen) werden. Des Weiteren ist erforderlich, dass die Fallen öffentlich nicht zugänglich sind, ansonsten ist im Siedlungsbereich erfahrungsgemäß mit einer mutwilligen Zerstörung der Flächen zu rechnen. Ein auch nur zeitweiser Ausfall einer Falle hat aber meist zur Folge, dass deren Daten bzgl. Biomassenentwicklung nicht mehr in die Auswertung einfließen können. Die Auswahl an geeigneten, öffentlich nicht zugänglichen Flächen ist dabei allerdings sehr eingeschränkt und nur wenige Standorte kämen in Frage (z. B. Botanischer Garten), so dass nur sehr wenige Fallen überhaupt aufgestellt werden könnten. Dies wäre dann allerdings nicht mehr repräsentativ im o. g. S. und eine Aussage über die Fluginsekten-Biomasse in München nur wenig aussagekräftig.
Damit im Hinblick auf die Beurteilung der Entwicklung der Artenvielfalt Erkenntnisse aus den Fallenfängen gezogen werden könnten, wäre eine Bestimmung möglichst vieler gefangener Tiere auf Artniveau Voraussetzung. Dies stößt jedoch nicht nur aufgrund des sehr hohen damit verbundenen Aufwandes (i. d. R. mehrere Tausend Individuen pro Falle), sondern auch aufgrund der Verfügbarkeit zur Bestimmung befähigter Spezialisten mit entsprechenden Kapazitäten rasch an seine Grenzen. Barcoding als alternative Methode befindet sich bei Mischproben derzeit noch in der Erprobungsphase und lässt vor allem keine Aussagen über die Anzahl an Individuen und somit auf Rückgänge einzelner Arten zu.
Aus diesen Gründen ist das Monitoring der Fluginsekten-Biomasse nicht sinnvoll und wurde nicht ins Monitoringprogramm aufgenommen, das demzufolge auch keine Finanzmittel hierfür vorhält. Dennoch sind Aussagen über den Stand und die Entwicklung einiger indikatorisch bedeutsamer Artengruppen von Fluginsekten-Gruppen (Wildbienen, Tagfalter, Libellen) in München möglich, da eine Auswahl besonders schützenswerter Arten im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings erfasst (halbquantitative Erfassung) wird.
Frage 4:
Welche Konzepte werden entwickelt, um dem gesteigerten Bedarf an Grün- und Erholungsflächen als wesentlicher Faktor für Naherholung, Lebensqualität und Naturerfahrungsmöglichkeiten der wachsenden Münchner Bevölkerung gerecht zu werden?
Antwort:
Das Grünplanungsamt des Referates für Stadtplanung und Bauordnung nimmt dazu wie folgt Stellung:
„Konzeptionelle Grundlage für die Sicherung und Qualifizierung von Freiräumen für Naherholung, Naturerfahrung und zur Sicherung der Lebensqualität insgesamt ist die Konzeption ‚Freiraum M 2030‘ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 0414208). Mit ihren Leitthemen ‚Entschleunigung‘, ‚Verdichtung‘ und ‚Umwandlung‘ deckt sie die unterschiedlichen Maßstabsebenen und Handlungsfelder der Freiraumentwicklung ab und bildet den strategischen Rahmen sowohl für die formelle Bauleitplanung mit integrierter Grünordnung bzw. Landschaftsplanung als auch für informelle Planungen und Konzepte zur Stärkung des Freiraumverbunds bzw. der Grünen Infrastruktur insgesamt. Die in den Beschlüssen zur Konkretisierung der Freiraumkonzeption (Sitzungsvorlagen Nr. Nr. 14-20/V 11379 und Nr. 14-20/V 12629) angeführten Schlüsselprojekte liefern mit anderen Aktivitäten wichtige Grundlagen für zukünftige Planungen. Sie verfolgen dabei einen integrativen Ansatz, um den vielfältigen Ansprüchen an die verschiedenen Freiräume gerecht zu werden. Mitgedacht werden dabei auch stets die Möglichkeiten einer naturnahen Ausgestaltung von Erholungsflächen, auch im Sinn der Bewußtseinsbildung der Erholungssuchenden.
Hier einige Beispiele:
Landschaftsbezogene Wegekonzeption für den Münchner Grüngürtel
Die Wegekonzeption umfasst Bestandsaufnahmen, Analysen und Planungshinweise für die funktionale und qualitative Weiterentwicklung des Fuß- und Radwegesystems im und in den Münchner Grüngürtel, sowohl auf für den Grüngürtel insgesamt als auch teilräumlich vertieft und konkretisiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung der Wege für die Wahrnehmung und das Erleben der umgebenden Landschaft. Die Wegekonzeption ergänzt bestehende Konzepte und Planungen zur Verbesserung des Fuß- und Radwegenetzes, die bisher vor allem an verkehrsplanerischen und ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet sind, um eine erholungsbezogene und ästhetische Komponente.
Masterpläne für Grüngürtellandschaften und Parkmeilen
Masterpläne für die Landschaftsräume des Grüngürtels und für Parkmeilen, die die innerstädtischen Freiräume mit diesen verbinden, betrachten die Themenfelder Landnutzung, Kulturgeschichte, Wege und Erreichbarkeiten sowie Landschaftsbilder und Landschaftserleben, um für diese jeweils konkreten Räume Entwicklungsziele, Leitbilder und Umsetzungs- bzw. Maßnahmenempfehlungen zu generieren. Sie schaffen Grundlagen für die Sicherung und Entwicklung dieser Räume, insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Stadtwachstums. Aktuell werden Masterpläne für den Münchner Norden sowie für die Parkmeilen ‚Feldmochinger Anger‘, ‚Trudering – Neuperlach‘, ‚Südpark – Forstenrieder Park‘ (Drygalksi-Allee) und ‚Siemens Sportpark – Südliche Isarauen‘ vorbereitet bzw. erarbeitet.
EU-Projekt ‚LOS_DAMA!‘ (Landscape and Open Space Development in Alpine Metropolitan Areas) zur Landschafts- und Freiraumentwicklung in Stadtregionen
Mit Stadtratsbeschluss vom 20.7.2016 wurde die Mitwirkung der Stadt München und auch die Federführung im EU-Projekt ‚LOS_DAMA! - Green Infrastructure for better living‘ beschlossen. Gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus dem Alpenraum stellte sich die Stadt den Herausforderungen in den dichter werdenden Stadtregionen, indem neue Ansätze zur In-Wert-Setzung stadtregionaler Landschafts- und Freiräume ausgelotet und entwickelt wurden. Das Referat arbeitete dabei mit dem Heideflächenverein Münchner Norden, dem Verein Dachauer Moos und dem Regionalmanagement München Südwest zusammen. Gemeinsam mit dem Heideflächenverein wurde das bereits bestehende Landschaftskonzept für den Münchner Norden visuell ansprechender aufbereitet und öffentlich kommunizierbarer gemacht. Mit dem Verein Dachauer Moos fand eine interkommunale Konferenz unter dem Motto ‚Let´s Do Moor‘ statt, um lokale Akteurinnen und Akteure zu vernetzen und die Mooslandschaft zu stärken. Gemeinsam mit dem Regionalmanagement München Südwest sowie Bürgerinnen und Bürgern aus dem Würmtal wurde eine „Landschaftsschatzkarte“ entwickelt. Dieses Projekt wird über eine Anschlussförderung nun auch auf das Dachauer Moos und die Heidelandschaft im Münchner Norden übertragen.
Freiraumquartierskonzepte
Freiraumquartierskonzepte suchen und dokumentieren auch außerhalb des räumlich engen Bebauungsplanumgriffs Möglichkeiten, Freiräume zu qualifizieren und zu vernetzen. Sie sind ein Instrument, das ursprünglich aus der Stadtsanierung kommt und ausgehend von der Konzeption ‚Freiraum M 2030‘ nun auch verstärkt in Bereichen außerhalb der Sanierungsgebiete angewendet werden soll. Insbesondere in Stadtgebieten mit hoher Bebauungsdichte und aktuellen Anforderungen nicht gerecht werdender Freiraumausstattung tragen sie zu einer qualitativen und quantitativen Verbesserung der Grün- und Freiraumversorgung bei. Erste Beispiele sind die Rahmenplanung Obersendling, das Umfeld der Bayernkaserne und die Innenstadt. Die Umwandlung von ehemaligen Industriegleisen in Grünzüge, Baumpflanzungen entlang von Wegebeziehungen, in Straßenräumen und auf Plätzen, die Entsiegelung und Begrünung von Baugebieten sowie die Entwicklung von öffentlich oder gemeinschaftlich nutzbaren Dachlandschaften bzw. ‚Hochparks‘ sind Beispiele aus den Maßnahmenvorschlägen dieser Konzepte.
Sie sprechen den wachsenden Bedarf der Bevölkerung nach naturnahen Erholungsflächen zur Naturerfahrung an, der jedoch auch zu Belastungen dieser führen kann.
Aktuell ist durch die Corona-Pandemie der Erholungsdruck auf naturschutzfachlich besonders sensible Gebiete in München deutlich verschärft worden. In München gibt es mehrere wertvolle Bereiche, in denen die Belastungsschwelle bereits überschritten ist, oder bei denen absehbar ist, dass es dazu kommt. Für den Schutz besonders vulnerabler Naturschutzflächen und der damit eng verknüpften Artenvielfalt besteht aus Sicht des RKU dringender Handlungsbedarf. Dabei kommt der Besucherlenkung und der Aufklärung der Stadtbevölkerung über den Wert der Münchner Naturschätze eine besondere Bedeutung zu. Bisherige Erfahrungen konnten zeigen, dass durch Gebietsbetreuer die besten Ergebnisse erzielt werden können. Für die Gebietsbetreuung und Erholungslenkung in Münchens naturschutzfachlich besonders sensiblen Gebieten (z. B. Moosgrund, Allacher Lohe, Angerlohe, Freiham) sind dauerhaft zusätzliche Mittel in Höhe von 200.000 Euro/Jahr bereitgestellt worden (Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 01738). Aus diesem Topf werden Gebietsbetreuer beauftragt und als kurzfristig wirksame Maßnahme werden noch bis Ostern 2021 15 Hinweisschilder zur Besucherlenkung darüber finanziert und im Gelände angebracht.“
Frage 5:
Wer sind die Teilnehmer und wie ist der aktuelle Arbeitsstand der stadtinternen „Umsetzungsgruppe Biodiversitätsstrategie“?
Antwort:
Die Umsetzungsgruppe Biodiversitätsstrategie wurde unverzüglich eingerichtet und es gab bisher ein zweimaliges Zusammenkommen. Auf Grund der andauernden Corona-Pandemie war ein erneutes Treffen der Umsetzungsgruppe nicht durchführbar. Dies wird aber, sobald es die Umstände erlauben, schnellst möglichst nachgeholt. Es fanden jedoch Gespräche zu verschiedenen Umsetzungsbausteinen mit beteiligten Referaten und Verbänden statt. Die Umsetzungsgruppe setzt sich aus Teilnehmern des Referates für Klima- und Umweltschutz, dem Baureferat, dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung (Untere Naturschutzbehörde und Grünplanung), dem Kommunalreferat und dem Referat für Bildung und Sport zusammen. Der Landesbund für Vogelschutz e.V. Kreisverband München und der Bund Naturschutz sind in der Umsetzungsgruppe ebenfalls vertreten. Die Möglichkeiten zur Erweiterung der Kompetenzen des RKU als koordinierendes Referat sowie die erforderlichen Ressourcen für weitere Umsetzungsschritte werden derzeit im Rahmen des KLUG-Prozesses zur Definition des künftigen Aufgabenzuschnitts des RKU intensiv diskutiert.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.