Städtische Spielplätze inklusiv ausweiten
Antrag Stadträtinnen Beatrix Burkhardt, Alexandra Gaßmann und Dr. Evelyne Menges (CSU-Fraktion) vom 6.10.2020
Verpflichten ist besser als empfehlen
Antrag Stadträtin Alexandra Gaßmann (CSU-Fraktion) vom 30.10.2020
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
Sie haben am 6.10.2020 Folgendes beantragt:
„Die Landeshauptstadt München weitet ihr Angebot an inklusiven Spielplätzen aus. Dies soll insbesondere für Schaukeln gelten, die zur Nutzung für Kinder mit körperlichen Einschränkungen ausgelegt sind – welche auf einen Rollstuhl angewiesen sind (nach dem Beispiel der Grafiken). Es sollen auch weitere Maßnahmen geprüft werden, die Kindern mit körperlichen Einschränkungen den Aufenthalt auf einem Spielplatz zu einem schönen Aufenthalt machen.“
Am 30.10.2020 haben Sie Folgendes beantragt:
„Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, die bisherige Handlungsempfehlung für die Spiel- und Freiraumgestaltung aus dem Jahr 2015/16 in Zukunft nicht nur als einen empfehlenden Charakter, sondern als eine Selbstverpflichtung festzulegen.“
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlauben wir uns, Ihre Anträge mit einem Schreiben zu beantworten.
Zu Ihren o. g. Anträgen teilen wir Ihnen Folgendes mit:
Zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in der Landeshauptstadt München auf öffentlichen Spielplätzen wurde das Baureferat mit Beschluss des Bauausschusses beauftragt, eine Arbeitsgruppe (AG Inklusion) einzurichten. Die Ergebnisse der AG Inklusion wurden u. a. unter Beteiligung des Behindertenbeirates ausgearbeitet und dem Bauausschuss in seiner Sitzung am 4.7.2017 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 08953) vorgelegt. Teil der vorgelegten Ergebnisse ist der Leitfaden mit dem Titel „Inklusive Spiel- und Freiraumgestaltung/Herausforderungen_Anregungen_Kriterien/Eine Handlungsempfehlung und ein Leitfaden für die Planung von Spielplätzen“.
Wie sich aus dem Titel bereits erschließen lässt, bietet die Handlungsempfehlung zur inklusiven Spiel- und Freiraumgestaltung keine Musterlösungenan, die bei jedem Spielplatz anwendbar wären und verbindlich eingefordert sowie 1 : 1 realisiert werden könnten. Sie umfasst vielmehr konzeptionelle Grundlagen und formuliert Planungsziele für inklusive Spielraumentwicklung bzw. Kriterien für inklusive Spiel- und Freiräume. Folgendes ist u. a. in den Empfehlungen ausgeführt:
„Viele Ideen und Bemühungen in den vergangenen Jahrzehnten, behindertengerechte Lösungen im Zusammenhang mit Spielplätzen zu finden, sind nicht immer gelungen. Dies liegt daran, dass Behinderungen und Einschränkungen sehr unterschiedlich sind und sich zudem individuell sehr verschieden zeigen. (…) Weil es nicht die eine oder relativ eingrenzbare Anzahl von Behinderungen gibt, kann es keine allgemeinen, einfachen Lösungen geben, die durch spezielle Spielgeräte oder durch einzelne gestalterische Maßnahmen herstellbar wären. (…) Wollte man für alle Arten von Behinderungen Spielgeräte aufstellen, wäre dies vor allem für die Hersteller ein großer Gewinn, im Nutzungsergebnis jedoch äußerst unbefriedigend.
Kinder sollen miteinander spielen und auskommen, sich respektieren und Sozialverhalten spielerisch einüben. Eingeschränkte Kinder wollen mit anderen Kindern, mit solchen ohne erkennbare Defizite spielen – und dabei auf Grund ihrer jeweils und überwiegend positiven Eigenschaften und Fähigkeiten gemeinsam freudvolle, schöne Stunden erleben. Dies kann nur auf Spielplätzen gelingen, die für alle Kinder interessant sind, gerade hier sollte erfahrbar sein, dass man gleichwertig ist und dazugehört. Genau darum ist das Spiel außerhalb von Wohnungen und betreuten Einrichtungen, im Wohnumfeld und Lebensraum so eminent wichtig. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum in der Vergangenheit zahlreiche ‚behindertengerechte‘ Spielplätze nur wenig angenommen worden sind, welcher Mensch will schon auf einen Behindertenspielplatz abgestellt sein, auch wenn dieser noch so teuer und mit besten Absichten ausgestattet ist. (…)“
Ein in den Empfehlungen formuliertes Planungsziel ist es daher, das gemeinsame Spiel zu fördern und Aufenthaltsbereiche für alle zu schaffen sowie z. B. durch Geländemodellierungen, Wegeführungen, Bepflanzung etc. attraktive und vielfältige Spielräume für alle Altersgruppen und Personen bereitzustellen. Zu den Spielgeräten ist in der Handlungsempfehlung weiter ausgeführt:
„Das Baureferat (Gartenbau) orientiert sich seit vielen Jahren am Ziel einer echten Inklusion im Sinne der o. g. Behindertenrechtskonvention der UN. Aus diesem Grund wählt das Baureferat (Gartenbau) bereits seit vielen Jahren bewusst Spielgeräte aus, die für eine möglichst breite Nutzergruppe spannende Nutzungsmöglichkeiten beinhalten und in ihren Spielangeboten sowie in ihrer Stofflichkeit, sensorischen Ansprache, Haptik undForm attraktiv für alle Kinder, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten sind.“
Der Bauausschuss hat aber auch in seiner Sitzung am 4.7.2017 auf Antrag des Baureferates beschlossen, in jedem Stadtbezirk zumindest ein rollstuhlgerechtes Spielgerät in der Nähe von entsprechenden Einrichtungen für Menschen mit Behinderung aufzustellen. Dies ist z. B. bereits im Petuelpark oder im Weißenseepark der Fall. Darüber hinaus erfolgt mittlerweile allgemein im Rahmen von Sanierungs- oder Neubaumaßnahmen von Spielplätzen eine Ausstattung mit mindestens einem Gerät, das alle Kinder und Kinder, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, nutzen können. Derzeit werden beispielsweise für den neuen Spielplatz im Flaucher u. a. unterfahrbare Wasser- und Matschtische, ein von im Rollstuhl sitzenden Kindern befahrbares Trampolin und auch eine spezielle Schaukel für bewegungseingeschränkte Kinder realisiert.
Zur Gestaltung von Spielplätzen und zur Auswahl und Konzeption von Spielgeräten führt das Baureferat im Rahmen von Neugestaltungsmaßnahmen in der Regel Kinder- und Jugendbeteiligungen vor dem Start von Spielplatzplanungen durch, um allen Nutzer*innen vor Ort gerecht zu werden. Zum Teil werden mehrere Beteiligungen durchgeführt, welche unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Dabei wird versucht, deren spezielle Bedarfe zu ermitteln, im Sinne der Gendergerechtigkeit und der Inklusion. Für die konkrete Planung von Spielplätzen wird so die inhaltliche Grundlage geschaffen. Ob die Planung dann die Erwartungen erfüllt, wird in einer nochmaligen Beteiligungsveranstaltung mit den Nutzer*innen erörtert. Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen plant und baut das Baureferat auf diese Weise kontinuierlich neue Spielplätze bzw. modernisiert bestehende, in die Jahre gekommene Spielplätze.
Da die Planungen schließlich immer nur eine Interpretation der Nutzer*innenwünsche und der Handlungsempfehlungen sein können, bedarf es einer fachlichen Überprüfung des Aspekts „Inklusion“. Daher wird verbindlich jede Spielplatzplanung mit dem Fachgremium „Städtischer Beraterkreis für Barrierefreies Planen und Bauen“ abgestimmt und mit diesem gemeinsam überprüft, ob in der jeweils vorliegenden Planung die Ziele der Handlungsempfehlung umgesetzt sind. Die Beteiligung des Beraterkreises ist verpflichtend. Der Facharbeitskreis Freizeit und Bildung des Behindertenbeirates schreibt u. a. in seiner Stellungnahme:
„Natürlich würden wir uns freuen, wenn im Zuge des Antrags die inklusive Ausgestaltung von Spielplätzen mehr Fahrt aufnehmen würde und sich der empfehlende Charakter der Handlungsempfehlungen zu einer Selbstverpflichtung der Stadt München wandeln würde.“ Das Baureferat selbst betrachtet die Anwendung der Empfehlung grundsätzlich als Verpflichtung.
Die Gleichstellungsstelle für Frauen weist darauf hin, dass eine geschlechtergerechte Nutzung von Spielplätzen auch für Menschen mit Behinderungen gewährleistet sein müsse. Entsprechend dem Leitfaden „Inklusive Spiel- und Freiraumgestaltung/Herausforderungen_Anregungen_Kriterien/ Eine Handlungsempfehlung und ein Leitfaden für die Planung von Spielplätzen“ liege dem Baureferat auch das Arbeitsergebnis der referatsübergreifenden Arbeitsgruppe „Gendergerechte Spielraumgestaltung“ in einer Broschüre mit dem Titel: „Spielangebote für Mädchen und Jungen – Gendergerechte Spielraumgestaltung Handlungs- und Planungsempfehlungen“ vor, in denen auch die Relevanz von intersektionalen Faktoren behandelt sei. Die Gleichstellungsstelle für Frauen regt daher an, bei Abstimmungen von Spielplatzplanungen mit dem Fachgremium „Städtischer Beraterkreis für Barrierefreies Planen und Bauen“ unter Beiziehung dieser Broschüre ebenfalls die geschlechterbezogenen Bedarfe zu thematisieren. Von Seiten des Baureferates wird dies gerne aufgegriffen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Anträge damit abschließend behandelt sind.