Mit den sechs Stipendien der Landeshauptstadt München im Bereich Bildende Kunst in Höhe von jeweils 8.000 Euro werden in diesem Jahr Clara Laila Abid Alsstar, Jonghoon Im, Kalas Liebfried, Janina Roider, Patrik Thomas und Giulia Zabarella ausgezeichnet. Der mit 3.000 Euro dotierte Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst geht an Maria Magolina. Dies entschied der Kulturausschuss des Stadtrates der auf Vorschlag einer Jury in seiner gestrigen Sitzung.
Die jährlich vergebenen Stipendien für Bildende Kunst dienen der Förderung herausragender künstlerischer Vorhaben am Beginn der Professionalität. Mit dem Beschluss „Mit Kultur aus der Krise“ hatte der Münchner Stadtrat ab 2022 dauerhaft die Anzahl der Stipendien von vier auf sechs und die Dotierung von 6.000 auf 8.000 Euro erhöht. Der Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis ist dotiert nach der jeweiligen Stiftungsertragslage.
Auszüge aus den Jurybegründungen Stipendium für Bildende Kunst für Clara Laila Abid Alsstar
„Clara Laila Abid Alsstar versteht sich als Konzeptkünstlerin, Kunstvermittlerin, Poesieaktivistin und Researcher. In ihren Arbeiten konzentriert sie sich mittels kreativer Textarbeit auf Aspekte von Social Justice und das Aufbrechen etablierter Strukturen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt derzeit in kollektiven Auseinandersetzungen, beispielhaft in ihrem künstlerisch-pädagogischen Projekt ‚Third Space: Disordering the Mess‘,das sie 2020 gemeinsam mit Raphael Daibert, Mako Sangmongkhon und Claudia Lercher im Lenbachhaus München entwickelte. (...)
Im Folgenden soll nun, in Ablösung vom klassischen Museumsraum, ein erweiternder Fokus auf den Teil Disordering the Mess gelegt werden, wozu mit einem nicht-institutionellen Kunstraum zusammengearbeitet wird. Aus antirassistischen, queeren Perspektiven motiviert, ist das An- liegen die Etablierung und Stärkung postkolonialer kritischer Theorie und transdisziplinärer, dekolonialer/antiimperialistischer kritischer Praxis im kulturellen Bereich.“ (...)
Stipendium für Bildende Kunst für Kalas Liebfried
„In seinem Projektvorhaben ‚Imperial Animism‘ setzt sich der Künstler Kalas Liebfried historisch-kritisch mit dem offen nationalistischen Bildhauer Fritz Behn auseinander, der Anfang des 20. Jahrhunderts gearbeitet hat. Mittels 3D-Scans, VR und Video sollen anhand der Tierplastiken des Künst- lers die Verschränkungen ökologischer und rassistischer Ideologien des 20. Jahrhunderts verhandelt und damit zusammenhängenden Tendenzen der Gegenwart gegenübergestellt werden. Die geplante postkoloniale und anti-rassistische Vermittlungsarbeit via Audioguide lässt einen sensiblen Umgang mit der kontroversen Geschichte des Bildhauers und eine wissenschaftlich anspruchsvolle Aufarbeitung mit zahlreichen beteiligten Koopera- tionspartner*innen erwarten. Dazu wird eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Goethe-Instituten in ehemaligen deutschen Kolonien angestrebt. Die diversen bisherigen Projekte, die Kalas Liebfried realisiert hat, zeugen von hoher Professionalität und multidimensionalen Ansätzen.“ (...)
Stipendium für Bildende Kunst für Jonghoon Im
„Der koreanische Künstler Jonghoon Im fokussiert sich in seinem künstlerischen Schaffen auf die Darstellung von bedeutsamen Tieren und Pflanzen aus der Mythologie. Diese dienen ihm als Projektionsflächen für eine assoziative Auseinandersetzung mit dem Kreislauf des Lebens – dem Werden und Vergehen. Mit großer Detailverliebtheit bearbeitet er diese Thematik
ebenso in seiner Malerei und Zeichnungen wie auch in skulpturalen oder installativen Werken.
Auch in seinem aktuellen Projektvorhaben beschäftigt er sich mit genanntem Themenspektrum. Wesen aus der asiatischen und europäischen Mythologie werden zum Ausgangspunkt seiner künstlerischen Reflektionen. Dabei soll insbesondere das Motiv der Metamorphose durch 3D- Animationen und Modellierung dargestellt werden. Die unterschiedlichen Wesenszustände der Figuren und Objekte im Prozess der Wandlung sollen mit Hilfe von 3D-Druck-Verfahren und Gusstechnik auch plastisch realisiert werden. Analoge Zeichnungen und bildhauerische Arbeiten entstehen ergänzend dazu.“ (...)
Stipendium für Bildende Kunst für Janina Roider
„Die Künstlerin Janina Roider bewegt sich in ihren Projekten an der Schnittstelle von Realität und Fiktion. Getrieben von ihrem Interesse an gesellschaftspolitischen Fragestellungen, dem kritischen Abgleich von Selbst- und Fremdbild sowie dem Spiel mit weiblichen Rollenbildern hat sie sich bisher besonders der Malerei, genauer gesagt dem Porträt verschrieben. Seit einiger Zeit kombiniert sie immer stärker das malerische Handwerk mit digitaler Bearbeitung, und entwickelt so vielschichtige Bilderwelten von expressiver Strahlkraft. Die Meisterschülerin von Günther Förg durchleuchtet komplexe Themenbereiche und stellt dabei Fragen, die uns alle betreffen: Was macht mich als Person aus? Was bedeutet (mir) Erfolg? Wo stehe ich in dieser Welt? In dem Konzept ihres Projektvorhabens skizziert Roider den vielen Menschen innewohnenden Wunsch nach den sogenannten ‚15 Minuten Ruhm‘. Dieser lässt sich – glaubt man den sozialen Medien – leichter denn je erreichen. In Form eines digitalen Experiments will die Künstlerin einen Avatar entwickeln, der ihren Jugendtraum, Musikerin zu werden, erfüllt.“ (...)
Stipendium für Bildende Kunst für Patrik Thomas
„Der Münchner Medienkünstler und Filmemacher Patrik Thomas hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Möglichkeiten des Mediums Film immer wieder auf unterschiedlichste Weise künstlerisch zu befragen. Zentral ist für ihn dabei die Frage, ob das Medium gesellschaftlichen Zusammenhalt und Toleranz stärken kann und inwieweit Film als kritisch-emanzipatorisches Werkzeug gesellschaftliche Bedeutung hat. Angeregt durch diverse Auslandsaufenthalte in Portugal, Taiwan und Brasilien hat Thomas ein Konzept entwickelt, um mit Film auf spielerische Weise auch den Münchner Stadtraum zu erobern. (...)
Mittels eines mobilen Fahrradkinos, das sowohl als installatives, skulpturales Objekt funktioniert, wie auch als Raum für Experimente und Film- performances mit mobilen Sitzgelegenheiten, möchte er den Münchner Stadtraum in ein Freiluftkino verwandeln. Dabei soll das Filmprogramm
gesellschaftliche und lokale Fragen aufgreifen und das Medium Film wieder mehr als Teil des öffentlichen Diskurses verankern. Nicht zuletzt bietet Patrik Thomas mit dieser Initiative auch einen barrierefreien Zugang für Randgruppen und kunstfernes Publikum.“
Stipendium für Bildende Kunst für Giulia Zabarella
„Giulia Zabarella beschäftigt sich in ihren aktuellen künstlerischen Forschungen mit der Analyse und Dokumentation der italienischen faschistischen Architektur und Stadtplanung als ästhetischem „Werkzeug“. Fragen danach, wie Monumentalbauten und Städte, die unter dem faschistischen Regime Mussolinis in den 1930er Jahren errichtet wurden, den heutigen Stadtraum und die Menschen, die ihn bewohnen, beeinflussen, geht sie künstlerisch nach. (...)
Für ihr Projektvorhaben ‚Materlinguae‘ (AT) hat Giulia Zabarella ein schlüssiges Konzept entwickelt und plant eine Forschungsreise nach Mailand und Rom in mehreren Phasen, bei der unter anderem filmische und textliche Dokumentationen spezifischer Gebäude und ihrer Inschriften entstehen. Dieses und weiteres Material dient Zabarella als Grundlage für die Entwicklung einer performativen künstlerischen Arbeit, die in München aufgeführt werden soll, um darin nicht zuletzt die Wahrnehmung der nationalsozialistischen Architekturen der Stadt München zu konfrontieren und die Auseinandersetzung damit einmal mehr zu aktualisieren. Zabarella strebt dazu eine Zusammenarbeit mit dem NS-Dokuzentrum in München und dem Centrale Fies, einem Zentrum für darstellende Künste mit Sitz in Trentino-Südtirol, an.“
Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis für Bildende Kunst für Maria Margolina
„Maria Margolinas bisherige künstlerische Arbeit überzeugt durch Eigenständigkeit und formale Stringenz. Aus ihrem Werk geht hervor, dass sie gewissenhafte künstlerische Recherche betreibt, deren Ergebnisse sie mit formaler Sicherheit umzusetzen weiß. Sie arbeitet skulptural, installativ und mit dem Einsatz von Sound und fügt diese unterschiedlichen künstlerischen Genres auf überzeugende Weise zu einem großen Ganzen zusammen.
Am Beispiel von Arbeiten wie ‚5NA710‘ (2022) wird das ihr eigene Zusammenspiel aus Konzept, Inhalt und Objekt deutlich. Dabei arrangierte die Künstlerin sechs Flutlichtstrahler aus der Originalausstattung des Olym- piastadions im Ausstellungsraum zu einer eindringlichen Installation und thematisiert damit das Attentat bei den Olympischen Spielen 1972. Maria Margolina veranschaulicht ihr Anliegen, gesellschaftlich-politische Themen zu bearbeiten und in eine komplexe, aber verständliche ästhetische Form zu bringen.“