Panzerteststrecke Allach – Offene Fragen zum Immissionsschutz und Baurecht klären
Anfrage Stadträtinnen Anna Hanusch, Julia Post und Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 10.11.2021
Antwort Christine Kugler, Referentin für Klima- und Umweltschutz:
Wir kommen zurück auf Ihre Anfrage vom 10.11.2021 und möchten uns vorab für die gewährten Fristverlängerungen bedanken. Zwischenzeitlich konnten nun alle für die Beantwortung notwendigen, umfangreichen Stellungnahmen eingeholt werden:
Frage 1:
Warum wurde das Wohngebiet nördlich der Panzerteststrecke von einem WR (Reine Wohngebiete) zu einem WA (Allgemeine Wohngebiete) eingestuft und wer ist dafür verantwortlich?
Antwort:
Grundsätzlich handelt es sich bei der „Waldkolonie“ planungsrechtlich gemäß dem aktuellen Flächennutzungsplan um ein Baugebiet mit einer ausschließlichen Wohnnutzung, also ein Reines Wohngebiet (WR) i.S.d. § 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern.
Die planungsrechtliche Einstufung gemäß Flächennutzungsplan geht jedoch nicht einher mit der immissionsschutzrechtlichen Einstufung eines Wohngebiets nach den Vorgaben der TA-Lärm. Für die Einstufung eines Gebietes nach TA-Lärm ist die tatsächlich existierende Lärmvorbelastung durch bereits zulässig vorhandene Gewerbebetriebe in der Umgebung einerseits und durch den Verkehrslärm andererseits zu berücksichtigen. Die Beurteilung der Gebietseinstufung hinsichtlich der geltenden Lärmwerte und anhand der tatsächlich vorherrschenden Eigenarten der näheren Umgebung obliegt der zuständigen Genehmigungsbehörde. Hier existiert eine gefestigte Rechtsprechung, dass die Randbereiche, insbesondere zum Außenbereich hin, stets damit rechnen müssen, dass sich dort außengebietstypische Nutzungen ansiedeln und aus diesem Grund ein Zwischenwert oberhalb des eigentlich für WR-Gebiete geltenden Immissionsrichtwertes zu bilden ist. Üblicherweise setzt die Rechtsprechung hierfür dann den IRW eines WA-Gebietes an, im vorliegenden Fall wäre jedoch auch grundsätzlich die Zuweisung als Mischgebiet möglich gewesen. Aus fachtechnischer Sicht wurde daher zugestimmt, vor dem Hintergrund der bestehenden Gemengelage entsprechend Ziffer 6.7 der TA-Lärm, als Immissionsrichtwert den Zwischenwert für Allgemeine Wohngebiete an-zusetzen und somit ein höheres Schutzniveau der nach TA-Lärm geltenden Werte als bei einem, damals ebenfalls zur Einstufung im Raum stehenden, Mischgebiet zu gewährleisten.
Frage 2:
Welche Kontrollen bspw. zur Einhaltung der Betriebszeiten, Anzahl der Fahrzeuge oder Rundenzahlen wurden bislang auf dem Firmengelände durchgeführt?
Antwort:
Bei der Anlage wurden und werden regelmäßig die gesetzlich vorgeschriebenen turnusmäßigen Überwachungen durchgeführt (2010, 2015, ab 2017 im Rahmen des Genehmigungsverfahrens häufigere Vorort-Termine; zuletzt am 31.5.2022). Dabei wurde regelmäßig festgestellt, dass die Anlage ordnungsgemäß betrieben wird. Eine Dokumentation der Teststreckennutzung kann für die aktuelle Nutzung mangels Rechtsgrundlage nicht eingefordert werden. Die Fa. KMW hat sich inzwischen jedoch freiwillig dazu bereit erklärt, ein Betriebstagebuch zu führen. Auszüge daraus werden dem RKU auf Anforderung (z.B. im Rahmen von Beschwerden) vorgelegt, auf ihre Plausibilität hin überprüft und wurden bisher nicht beanstandet.
Frage 3:
Geht die Verwaltung von einer Genehmigungsfähigkeit der Anlage aus? Wenn ja, warum? Welche Spielräume für Auflagen insbesondere zum Lärmschutz sieht die Verwaltung, falls die Anlage genehmigungsfähig ist?
Antwort:
Nach derzeitiger Aktenlage und gestützt auf die bisherigen Erkenntnisse aus dem noch nicht abgeschlossenen Petitionsverfahren haben sich keine offensichtlichen Punkte gezeigt, die grundsätzlich gegen die baurechtliche und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit sprechen würden.
Die Landeshauptstadt München hat die Rechtsauffassung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) akzeptiert, dass die Gesamtanlage „Panzerteststrecke“ von Anbeginn an einer Baugenehmigungspflicht unterlag und daher die Altanlagenregelung (Anzeige nach BImSchG) keine Anwendung findet. Folglich ist von der Antragstellerin ein modifizierter Antrag inklusive Bauantrag und Aktualisierung auf den heutigen Stand einzureichen. Dies geschah am 27.5.2022 digital und am 9.6.22 in Papierform. Derzeit werden die Unterlagen geprüft. Da die Bekanntmachung des Vorhabens im Amtsblatt vom 29.5.2020 nach Auffassung des StMUV die Anstoßfunktion möglicherweise nicht rechts-sicher erfüllt hat, wird die Öffentlichkeitsbeteiligung wiederholt. Neue Aspekte, die sich im Laufe des weiteren Verfahrens ergeben können, werden dabei berücksichtigt.
Wie gesetzlich vorgesehen, kann und wird das Referat für Klima- und Umweltschutz aufgrund aller gesammelten und ausgewerteten Erkenntnisse im Rahmen des gegebenenfalls zu erlassenden Genehmigungsbescheides die Nutzung der Panzerteststrecke durch geeignete Auflagen reglementieren, sodass ein gesetzeskonformer Betrieb der Anlage garantiert werden kann.
Grundsätzlich ist die Entscheidung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz jedoch eine gebundene Entscheidung, d.h. der Antrag muss genehmigt werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dazu vorliegen und alle gesetzeskonformen Auflagen eingehalten werden.
Frage 4:
Welche Lärmschutzmaßnahmen und -auflagen existieren aktuell?
Antwort:
In der Anordnung vom 25.10.2004 wurden Teilbeurteilungspegel für maßgebliche Immissionsorte, die die von der Teststrecke ausgehenden Geräusche nicht überschreiten dürfen, sowie die Betriebszeit von 7 bis 20 Uhr an Werktagen festgelegt.
Konkrete Lärmschutzmaßnahmen und -auflagen (wie z.B. Betriebszeiten, max. Geräuschpegel u.ä.) werden im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens ermittelt und mittels immissionsschutzrechtlicher Auflagen im Genehmigungsbescheid festgeschrieben.
Frage 5:
Ist es korrekt, dass das Lärmgutachten 2017 erstellt wurde, als an der Ludwigsfelder Straße noch ein ca. 18m langer Sicht- und Lärmschutzwall bestand? Warum wurde dieser Wall nur durch eine Lärmschutzwand ersetzt? Wurden Messungen durchgeführt, ob die Wand den gleichen Lärmschutzeffekt hat wie zuvor der Wall?
Antwort:
Die Messungen haben bei Vorhandensein des Walls stattgefunden, also vor Ersatz des Erdwalls an der nördlichen Begrenzung des Betriebsgeländes durch eine Wand.
Die Messungen zur Ermittlung der Geräuschemissionen, verursacht durch den Betrieb der Panzerteststrecke, fanden am 8.2.2017, 16.2.2017 sowie am 30.3.2017 statt.Die Messungen zur Ermittlung und Beurteilung der anteiligen tieffrequenten Geräuschimmissionen in der Wohnnachbarschaft, verursacht durch den Betrieb der Panzerteststrecke wurden durchgeführt am 4.5.2017, 11.5.2017, 19.7.2017, 1.8.2017 sowie am 21.4.2018.
Aufgrund des Ausbaus der Ludwigsfelder Straße war der bestehende Wall (an der Ludwigsfelder Straße) teilweise zurückzubauen und durch eine Wand zu ersetzen. Diese Maßnahme erfolgte nach Angaben von KMW während zweier Wochen im August 2017. KMW führt weiter aus, dass dazu die bestehende Sichtschutzwand aus Trapezblech und ein kleines Stück des bestehenden Walls abgetragen wurde. Es wurde nur ein kleiner Teil des Walls entfernt und durch die neue Lärm- und Sichtschutzwand angebunden. Die neue Wand ist mit 4m Höhe zudem 0,5m höher als die Oberkante des Walls.
Ebenfalls wurde von der Fa. KMW eine schalltechnische Stellungnahme eines Gutachterbüros aus dem Jahr 2009 mit Konstruktionshinweisen vorgelegt, bei deren Beachtung mit keiner Verschlechterung der schalltechnischen Situation für die nördlich liegende Bebauung zu rechnen sei. KMW hat bestätigt, dass die Wand entsprechend dieser Vorgaben errichtet wurde.
Inzwischen liegt dem RKU auch die erbetene aktuelle gutachterliche Äu-ßerung vor. Die Gutachtergesellschaft hat im Genehmigungsverfahren die oben erwähnten zwei Gutachten, mit denen die Geräuschbelastung der Wohnnachbarschaft im Umfeld der Panzerteststrecke bewertet wurde, vorgelegt.
Bezüglich der akustischen Auswirkungen aufgrund dieser Maßnahmen an dem vormals bestehenden Wall führt die Gutachtergesellschaft aus:
Es „resultiert das klare Ergebnis, dass infolge des Ersatzes eines maximal 24m langen Abschnittes des bislang vorhandenen Erdwalles an der nördlichen Begrenzung des Betriebsgeländes der Fa. Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG zur Ludwigsfelder Straße im Zuge des Ausbaus dieser öffentlichen Straße durch eine maximal 4m hohe Lärm- und Sichtschutzwand in keinem Bereich der Wohnnachbarschaft der Panzerteststrecke eine maßgebliche Erhöhung der in unseren beiden vorgelegten schalltechnischen Gutachten Nr. 3042-18-AA-19-PB002 vom 20.8.2019 und Nr.
3042-18-AA-19-PB003 vom 25.8.2019 ausgewiesenen Beurteilungspegel und Maximalpegel eingetreten sein kann.
Beide schalltechnischen Gutachten sind daher weiterhin uneingeschränkt im Rahmen des laufenden Petitionsverfahrens zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 16 BImSchG der Panzerteststrecke der Fa. Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG verwendbar.“(Antwort der Gutachtergesellschaft vom 14.1.2022 auf die RKU-Anfrage bzgl. der Gültigkeit der Aussagen in den genannten beiden Schallgutachten nach den baulichen Maßnahmen am Wall).
Die Ausführungen und Informationen von KMW und die Begründungen in dem o.g. gutachterlichen Schreiben sind aus der Sicht des Referats für Klima- und Umweltschutz nachvollziehbar und plausibel.
Frage 6:
Die Panzerteststrecke wurde mit Schreiben vom 5.11.2003 als sogenannte Altanlage nach § 67 Abs. 2 BImSchG beim damaligen Referat für Gesund- heit und Umwelt (RGU) angezeigt (https://www.uvp-verbund.de/trefferanzeige?docuuid=C3CC6005-9071-44BB-A3E1-DAA7B0B8B2FE&plugid=/ ingrid-group:ige-iplug-by&docid=C3CC6005-9071-44BB-A3E1-DAA7B- 0B8B2FE). Warum wurde damals nicht die Vorlage einer Baugenehmigung verlangt? Warum wurde damals nicht sofort ein Genehmigungsverfahren eingeleitet? Warum gab es damals keine immissionsschutzrechtliche Prü- fung durch das RGU? Ist es korrekt, dass diese Anzeige bereits im Jahr 2001 hätte passieren müssen? Falls ja: Welche Konsequenzen hatte dieses Säumnis für KMW?
Antwort:
Die Panzerteststrecke wurde erstmals aufgrund der Änderung der 4. BImSchV mit Inkrafttreten des Artikelgesetzes vom 27.7.2001 zum
3.8.2001 genehmigungspflichtig.
Die Aktenlage zeigt, dass die zuständige Baugenehmigungsbehörde um Überprüfung gebeten wurde. Diese Überprüfung hat ergeben, dass die Anlage legal errichtet worden ist. Damit war die Anlage nur als Altanlage gem. § 67 Abs. 2 BImSchG anzuzeigen. Im Rahmen des Anzeigeverfahrens wurde eine immissionsschutzrechtliche Prüfung nach den Vorgaben der zu diesem Zeitpunkt geltenden TA Lärm und der TA Luft vorgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass aus fachgutachterlicher Sicht die Anlage nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Immissionspegelanteile des Gesamtbetriebs Krauss Maffei Wegmann beiträgt. Als Folge dieser Prüfung wurde am 25.10.2004 eine Anordnung nach § 17 Abs. 1. Satz 1, Abs. 5 BImSchG erlassen, mit den bereits unter 4. aufgeführten Lärmschutzauflagen.
Dies war ausreichend. Dem Vorgang sind keinerlei Informationen darüber zu entnehmen, ob diese ggf. vorliegende Säumnis seinerzeit Konsequenzen für die Fa. KMW hatte.Im Rahmen des Petitionsverfahrens teilte das StMUV in seiner Stellungnahme vom 1.10.2021 mit, dass nach dortiger Rechtsauffassung die Panzerteststrecke im Entstehungsjahr 1964 grundsätzlich einer Baugenehmigungspflicht unterlegen hätte. Da diese Baugenehmigung nicht vorliegt, falle die Anlage nicht unter den Bestandsschutz und in der Konsequenz müsse das Genehmigungsverfahren wiederholt werden. Grundsätzlich hält das StMUV die Anlage jedoch für baurechtlich zulässig. Das RKU akzeptiert die Rechtsauffassung des StMUV, das Genehmigungsverfahren zu wiederholen. Daher wurden die immissionsschutzrechtlichen Antragsunterlagen um den Bauantrag ergänzt.
Wir hoffen mit oben stehenden Aussagen Ihre Fragen hinreichend beantworten zu können und stehen für Rückfragen jederzeit zur Verfügung.