Denkmäler-Diskussion: Kunstaktionen zu Neptunbrunnen und Siegestor Archiv
-
Rathaus Umschau 179 / 2022, veröffentlicht am 19.09.2022
Denkmäler tragen Botschaften, die bis heute Bedeutung haben, oder sie transportieren bisweilen Inhalte, die längst überholt sind oder bewusst abgelehnt werden. Im Rahmen von Public Art München setzen sich Künstlerinnen und Künstler in der Reihe „Past statements: Denkmäler in der Diskussion“ kritisch-künstlerisch mit problematischen Erinnerungsorten auseinander.
Die Künstlerin Michaela Melián hat für ihr Projekt „Maria Luiko, Trauernde, 1938“ den in der NS-Zeit erbauten Neptunbrunnen im Alten Botanischen Garten gewählt. Der Neptunbrunnen wurde 1937 errichtet, um einen von nationalsozialistischer Ideologie geprägten Ort mit Anschluss an das NS-Parteienviertel zu erschaffen. Mit der Gestaltung waren der Bildhauer Joseph Wackerle und der Architekt Oswald Bieber beauftragt, die sich auf Adolf Hitlers Liste der „Gottbegnadeten“ Künstler finden. Michaela Melián verhüllt die fragwürdige Neptunfigur mit einer Mesh-Plane, die mit der Abbildung einer Arbeit der Münchner Künstlerin Maria Luiko aus dem Jahr 1938 mit dem Titel „Trauernde“ bedruckt ist. Maria Luiko wurde im November 1941 mit fast 1.000 weiteren Menschen jüdischer Abstammung von der SS nach Kaunas deportiert und dort fünf Tage später ermordet. Die Verhüllung mit dem Motiv einer anonymen trauernden Frau ist eine aussagekräftige Gegenantwort auf die Herrscherpose des kraftstrotzenden männlichen Neptunkörpers. Die Kunstintervention ist ab heute bis Freitag, 18. November, zu sehen.
Darüber hinaus ist ab Dienstag, 20. September, bis Samstag, 19. November, am Siegestor die Installation „Victory Spikes“ des Wiener Künstlerkollektivs Steinbrener/Dempf & Huber zu sehen. Dabei werden die oberen Plateaus des Siegestors mit 3,5 Meter großen Taubenspikes versehen. Die Spikes mit ihrer normalen Höhe von 10 Zentimetern sind als Tauben-Ab- wehr-Instrument auf vielen denkmalgeschützten Gebäuden zu finden. Spätestens seit dem Entwurf von Pablo Picasso für den Weltfriedenskongress 1949 ist die Taube zum Friedenssymbol schlechthin geworden. Die übergroßen Taubenspikes assoziieren die Taube als gigantisch großes Wesen. Das Siegestor als mehrdeutiges Denkmal – ursprünglich Kriegerdenkmal, dann zum Frieden mahnend – soll hier im Angesicht des aktuellen Kriegs in der Ukraine thematisiert werden.
Steinbrener/Dempf & Huber lassen dabei mit voller Absicht offen, ob mit der imaginierten Abwehr einer übergroßen Taube die Friedensbewegung oder die allgemeine Aufrüstung in Europa gemeint wird.
Mit der Reihe „past statements. Denkmäler in der Diskussion“ knüpft München an die internationale und lokale Diskussion um diskussionswürdige Denkmäler an und regt kritische, vielstimmige und kreative Debatten über Formen und Inhalte des Erinnerns in einer diversen und demokratischen Stadtgesellschaft an. Das Programm ist eine Kooperation zwischen Public Art München und dem Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur des Kulturreferats.
Weitere Informationen unter www.publicartmuenchen.de.