Andrej Kurkow erhält den Geschwister-Scholl-Preis 2022 Archiv
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Rathaus Umschau 197 / 2022, veröffentlicht am 14.10.2022
Der Geschwister-Scholl-Preis 2022 wird an den Schriftsteller Andrej Kurkow, einer der bekanntesten Romanciers und politischen Intel- lektuellen der Ukraine, für sein „Tagebuch einer Invasion“ vergeben. Über die Vergabe des mit 10.000 Euro dotierten Preises haben am 13. Oktober der Kulturausschuss des Stadtrats und der Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e. V. beschlossen. Mit dem in diesem Jahr zum 43. Mal vergebenen Geschwister-Scholl-Preis wird jährlich ein Buch ausgezeichnet, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.
Auszug aus der Jurybegründung:
„Zwei Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine notiert Andrej Kurkow in seinem ‚Tagebuch einer Invasion‘: ‚Mich schaudert es dabei, die folgenden Worte niederzuschreiben, aber ich werde es trotzdem tun: Die Ukraine wird entweder frei, unabhängig und europäisch sein, oder es wird sie überhaupt nicht mehr geben.‘
Der Schriftsteller Andrej Kurkow, einer der bekanntesten Romanciers und politischen Intellektuellen der Ukraine, hat es sich zum Ziel gesetzt, gegen das weitverbreitete Unwissen über Geschichte und Kultur der Ukraine, auf das er in den westlichen Gesellschaften stößt, anzukämpfen. Er will aufklären über die komplizierte und leidvolle Vergangenheit und Gegenwart dieses multiethnischen und multikulturellen Landes.
Andrej Kurkow wurde 1961 in Sankt Petersburg geboren, seit seiner Kindheit lebte er in Kiew, der Stadt, aus der er durch den Krieg vertrieben wurde. Das Spannungsverhältnis zwischen der russischen und der ukrainischen Sprache und Kultur, das er in seinem ‚Tagebuch‘ vielfach reflektiert, prägt auch seine eigene Existenz als ukrainischer Autor, der seine Romane und fiktionalen Texte in seiner Muttersprache Russisch schreibt. Mit Andrej Kurkows ‚Tagebuch einer Invasion‘ wird ein Werk ausgezeichnet, das zugleich als eindringliche Chronik wie als kritische Reflexion einer politischen und zivilisatorischen Katastrophe zu lesen ist. Das Buch setzt bereits Monate vor dem russischen Angriff ein und legt in persönlichen Aufzeichnungen sowie längeren essayistischen Passagen ein bewegendes Zeugnis davon ab, was in der Ukraine geschieht. Auch wenn Kurkow notiert, dass ihm ‚schon längst die Worte für das Grauen ausgegangen‘ seien, wirft er einen genauen Blick darauf, wie der Krieg das Leben der Menschen verändert. Nicht zuletzt im Nachdenken über die eigene Familiengeschichte führt Kurkow einem zudem die lange Unterdrückungsgeschichte der Ukraine vor Augen, die von zahlreichen Deportationen und Zwangsvertreibungen gekennzeichnet ist und dennoch eine nun bedrohte politische Tradition des Individualismus und der Liberalität hervorgebracht hat, die Freiheit höher bewertet als Sicherheit und ökonomische Stabilität.“ Die Verleihung des Preises ist am Montag, 28. November, mit geladenen Gästen geplant.
Die ausführliche Jurybegründung, die Besetzung der Jury und weitere Informationen sind abrufbar unter www.geschwister-scholl-preis.de.