Schaffung von preisgünstigem Wohnungsbau durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in München vor dem Aus?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Heike Kainz und Manuel Pretzl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 23.8.2022
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 23.8.2022 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Mit Bezug auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 22.8.2022 drücken Sie Ihre Sorge darüber aus, dass gestiegene Baukosten und Kreditzinsen in Verbindung mit den aktuellen Förderkonditionen zu einem Baustopp von preisgünstigem Wohnraum in der Landeshauptstadt München führen könnten.
Frage 1:
Wie ist der Rückzug des Bundes aus der Förderung von energieeffizienten Neubauten nach gut einem halben Jahr zu bewerten? Wie viele Projekte, beziffert nach der Anzahl der geplanten Wohnungen, werden deshalb auf Eis gelegt?
Antwort:
Mit dem Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude (FKG) des Referats für Klima- und Umweltschutz hat der Stadtrat mit Beschluss vom 29.6.2022 (Sitzungsvorlagen Nr 20-26/V 06103 die Förderung der Neubaustandards von der Bundesförderung entkoppelt und bietet den Münchner Bauherr*innen auf diesem Weg sehr auskömmliche und verlässliche Förderbedingungen an. Wie viele Projekte auf Grund der geänderten Bundesförderung derzeit nicht fortgeführt werden, ist dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung nicht bekannt.
Frage 2:
Wird die Entscheidung des grün geführten Wirtschaftsministeriums seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung als kurzsichtig eingestuft?
Antwort:
Insgesamt gab es mit der vorgelagerten Ankündigung des Auslaufens im Jahr 2021 sehr viele Förderanträge. Infolge der extrem hohen Nachfragenach diesem Förderprogramm und begrenzter Fördermittel sah sich das Wirtschaftsministerium wohl Anfang diesen Jahres zu diesem Schritt gezwungen. Die bundespolitischen Debatten über solche Prioritätensetzungen sollte u.E. im Bundestag geführt werden.
Frage 3:
Mit welchen Auswirkungen auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaf- ten ist zu rechnen? Können diese kompensiert werden bzw. was genau ist für eine Kompensation nötig?
Antwort:
Im Beschluss vom 1.12.2021 (Sitzungsvorlagen Nr. 20-26/V 00673) wurden erste Schätzungen des zukünftigen Finanzbedarfs zur Erreichung und Verstetigung der Fertigstellungszahlen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bis zum Jahr 2030 unter Berücksichtigung des Energiestandards EH 40 vorgestellt. Die Vollversammlung des Stadtrats hat am 19.1.2022 auf dieser Basis einen Finanzierungsbeschluss gefasst.
Aufgrund des Kriegs in der Ukraine und sonstiger, erst nach diesem Beschluss eingetretener unvorhersehbarer Entwicklungen (steigende Inflation, Probleme bei den Lieferketten, steigende Finanzierungskosten) sind der tatsächliche Finanzierungsbedarf und auch Umfang und Höhe der Fördergelder für den Wohnungsbau auch außerhalb der Förderung des energetischen Standards für die Zukunft kaum abschätzbar, was zu hoher Planungsunsicherheit führt. So stiegen beispielsweise gemessen am Preisindex für den Neubau von Wohngebäuden die Baupreise in Bayern laut Aussage der GEWOFAG im Zeitraum von Mai 2021 bis Mai 2022 um 17,3 Prozent.
Um die städtischen Ziele erreichen und Wohnraum zu bezahlbaren Mieten anbieten zu können, sind die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auch künftig auf die finanzielle Unterstützung sowohl der Landeshauptstadt München als auch auf auskömmliche Förderprogramme für sozialen und ökologisch nachhaltigen Wohnungsbau angewiesen. Eine genauere Abschätzung ist aufgrund der genannten Unsicherheiten nicht möglich.
Frage 4:
Wie gedenkt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung sowie die Stadtspitze, dieser Entwicklung bzw. dem völligen Erliegen des Wohnungsbaus in München entgegenzuwirken?
Antwort:
Aus Sicht des Referats für Stadtplanung werden die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau (Zinswende, Kostensteigerungen, Lieferkettenprobleme, usw.) zusehends schwieriger. Ein völliges Erliegen des Wohnungsbaus wird aber keinesfalls erwartet. Im Detail soll das Thema im Zusammenhang mit dem neuen wohnungspolitischen Handlungsprogramm
„Wohnen in München – WIM VII“ noch dieses Jahr im Stadtrat diskutiert werden.
Frage 5:
Ist mit einer Anhebung der Maximalmiete im Konzeptionellen Wohnungsbau auf 15 Euro pro Quadratmeter zu rechnen?
Antwort:
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wurde vom Stadtrat am 19.1.2022 beauftragt, im Rahmen des Beschlusses zu „Wohnen in München VII“ im Jahr 2022 zu berichten, ob der 2019 fortgeschriebene Konzeptionelle Wohnungsbau wirkt (Sitzungsvorlagen Nr. 20-26/V 04237). Dies beinhaltet auch die Prüfung, ob und in welcher Höhe die maximal zulässige Erstvermietungsmiete im Konzeptionellen Wohnungsbau von derzeit 13,50 Euro pro m2 Wohnfläche angehoben werden soll. Eine maßvolle Anhebung war unter Hinweis auf die steigenden Baukosten in letzter Zeit auch schon von den Baugenossenschaften angeregt worden. Über eine Anhebung der Miete und deren Höhe entscheidet dann der Stadtrat im Rahmen von WiM VII.
Frage 6:
Sind Abstriche bei den ökologischen Standards nötig oder lassen sich Wege finden, ökologische Standards auch günstiger umzusetzen? Ist an dieser Stelle beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Universitäten geplant?
Antwort:
Die ökologischen Standards wurden vom Stadtrat in den letzten Jahren sukzessive erhöht, um die Klimaschutzziele erreichen zu können. Die Verwaltung arbeitet regelmäßig mit Universitäten, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zusammen, beispielsweise mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik zur Festlegung des neuen Münchner Gebäudestandards oder mit der Ruhr-Universität Bochum und der TU München in Zusammenhang mit der Ökologischen Mustersiedlung im Prinz-Eugen-Park.
Frage 7:
Wie ist die Lage bei der Schaffung von Wohnraum auf dem Gesamtmarkt? Wie viele Neubauprojekte werden in diesem Jahr umgesetzt, verglichen mit den Vorjahren? Welche Rolle spielt die novellierte SoBoN in der Betrachtung?
Antwort:
Im Jahr 2021 wurden insgesamt 7.140 Wohnungen in der Landeshauptstadt München fertiggestellt. Darunter sind 1.418 geförderte Wohnungen. Die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG haben in 2021 in Summe 1.197 Wohnungen fertiggestellt. Gegenüber dem Vorjahr 2020 sind dies insgesamt rund 1.150 bzw. 13,9 Prozent weniger Wohnungen, die in der Landeshauptstadt München fertiggestellt wurden.
Die 2021 erreichte Zahl von insgesamt 8.655 genehmigter Wohnungen stellt in der langjährigen Betrachtung (der letzten 35 Jahre) den sechstbesten Wert dar. Im Vergleich mit den noch höheren Werten der unmittelbar vorhergehenden Jahre (2020: 11.528; 2019: 10.929) ist dies zwar ein niedrigerer Wert; eine grundsätzliche Trendwende weg von dem hohen Niveau der letzten Jahre ist aufgrund eines anhaltend hohen Eingangs an Anträgen in der Lokalbaukommission derzeit jedoch nicht absehbar. Die novellierte SoBoN spielt hierbei noch keine Rolle, da der Beschluss erst im Juli 2021 gefasst wurde und folglich erst nachgelagert, d.h. in zukünftigen Jahren, mit einer Umsetzung von Vorhaben gerechnet werden kann.
Frage 8:
Bleibt die grün-rote Stadtregierung hinter ihren eigenen Ansprüchen an gesetzte Wohnungsbauzielmarken zurück?
Antwort:
Zielmarken bzw. Zielzahlen für den Wohnungsbau vorzugeben ist Aufgabe des Stadtrates als gewählte Vertretung der Münchner Bürgerschaft. Das gegenwärtig gültige wohnungspolitische Handlungsprogramm „Wohnen in München VI“ wurde am 15.11.2016 beschlossen (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 07205), somit vor der letzten Kommunalwahl. Die hier enthaltenen und derzeit geltenden Zielzahlen wurden seither nicht verändert.
Frage 9:
Wie ist die Verschiebung der Ausschreibung weiterer Genossenschafts-Grundstücke in Freiham für insgesamt 500 Wohnungen auf 2023 zu bewerten? Wird sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt durch diese Verschieung und eine weiter voranschreitende Teuerung durch diese Entscheidung verschärfen?
Antwort:
In den Jahren 2017 bis 2022 sind städtische Grundstücke für mindestens 1.300 Wohnungen an Genossenschaften oder genossenschaftsähnliche Wohnprojekte vergeben worden. Für die Jahre 2023 und 2024 sind, die genannten Verschiebungen schon mit eingerechnet, weitere Vergaben im Umfang von ca. 1.200 Wohnungen beabsichtigt. Die Zahl der Vergaben an die Genossenschaften sinkt also nicht, sondern sie steigt sogar noch an. Die Auswirkungen der erhöhten Bau- und Finanzierungskosten auf die Vorhaben von Genossenschaften wird die Landeshauptstadt München im Rahmen des Vorhersehbaren und Möglichen bei der Fortschreibung und Anpassung der Fördermöglichkeiten für die Genossenschaften im Rahmen des anstehenden Stadtratsbeschlusses zum wohnungspolitischen Handlungsprogramm „Wohnen in München VII“ (2023-2028) berücksichtigen.