Quadratmeterpreis an den Maßpreis koppeln
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Rathaus Umschau 216 / 2022, veröffentlicht am 11.11.2022
Quadratmeterpreis an den Maßpreis koppeln
Antrag Stadträtin Marie Burneleit (Die PARTEI) vom 12.9.2022
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Sie beantragen den Quadratmeterpreis in München an den Maßpreis zu koppeln. Zu diesem Antrag erlaube ich mir den grundsätzlichen Hinweis, dass mir als Referentin die inhaltliche Bearbeitung eines Antrags, der ganz offensichtlich nicht ernst gemeint sein kann, durchaus widerstrebt. Mit Blick auf die große Belastung der Sozialverwaltung in dieser krisenhaften Zeit werden hier Arbeitsstunden und Personalressourcen gebunden, was auch nicht in Ihrem Sinne sein kann.
Wie Sie sicher selber wissen, hat die Landeshauptstadt München keinen unmittelbaren Einfluss auf die Mieten am freien Markt. Für die Wohnungen im städtischen Bestand hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München Mieterhöhungen bis August 2024 ausgesetzt. Darüber hinaus nutzt Herr Oberbürgermeister Reiter jede Situation, um auf allen politischen Ebenen auf die extreme Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt aufmerksam zu machen.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen zu Ihrem Antrag vom 12.9.2022 Folgendes mit:
München ist bekanntermaßen die Stadt mit den bundesweit höchsten Mieten. Neben dem knappen Angebot an bezahlbarem Wohnraum stellen nun explodierende Energiekosten und eine hohe Inflationsrate die Stadtgemeinschaft vor große Herausforderungen. Auch aus Sicht des Sozialreferates ist in der Landeshauptstadt die Belastungsgrenze für die Mieter*innen bereits seit geraumer Zeit erreicht.
Die Landeshauptstadt München veröffentlicht alle zwei Jahre einen neuen qualifizierten Mietspiegel für München im Sinne des § 558 d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser wurde jeweils nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und bislang vom Stadtrat der Landeshauptstadt München als qualifiziert anerkannt. Daher müssen Mieterhöhungen in München mit dem qualifizierten Mietspiegel begründet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Vermieter*innen diese auf Vergleichswohnungen stützten. Außerdem kommt dem qualifizierten Mietspiegel für München im Rechtsstreit eine Vermutungswirkung dahingehend zu, dass der Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt (§ 558 d Abs. 3 BGB). Die Vermutungswirkung wurde bislang nicht widerlegt.Entsprechend des in § 558 Abs. 2 BGB definierten Vergleichsmietenbegriffs weist der Mietspiegel für München die neu vereinbarten und ver-änderten Mieten innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren aus. Damit handelt es sich bei der ortsüblichen Vergleichsmiete um eine marktorientierte modifizierte Durchschnittsmiete für Wohnungen.
Die inhaltliche Gestaltung miet- bzw. mietpreisrechtlicher Regelungen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Weder die Landeshauptstadt München noch der Freistaat Bayern sind zum Erlass entsprechender Gesetze berechtigt.
In diesem Sinne entschied am 16.7.2020 der Bayerische Verfassungsgerichtshof gegen die Zulassung des Volksbegehrens „Mietenstopp“ (Bay-VerfGH, Urteil v. 16.7.2020, Az. Vf. 32-IX-20). Nach dessen Auffassung ist das Mietrecht im BGB geregelt und stellt damit ausschließlich Bundesrecht dar. Dem Freistaat Bayern hingegen fehlt für Begrenzungen der Miethöhe die Gesetzgebungsbefugnis. Aus dem gleichen Grund hatte das Bundesverfassungsgericht im April 2021 den Berliner Mietendeckel gekippt.
Der Vollständigkeit halber möchte ich an dieser Stelle ausführen, dass Ermächtigungen seitens der Bundesregierung für die Länder zum Erlass von Rechtsverordnungen hinsichtlich der abgesenkten Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen von 20 Prozent auf 15 Prozent (§ 558 Abs. 3) und hinsichtlich der Mietpreisbremse (§§ 556 d ff. BGB) bei Neuvermietungen geschaffen wurden. Hiervon hat die bayerische Landesregierung bereits Gebrauch gemacht. Die Mietpreisbremse gilt in München seit August 2019.
Darüber hinaus hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz mittlerweile eine Gesetzesinitiative für ein Gesetz zur besseren Bekämpfung von Mietwucher auf den Weg gebracht. Diese hat das Ziel, den Vollzug von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) zu erleichtern, in dem die schwer nachweisbare „Ausnutzung“ eines geringen Angebotes an vergleichbarem Wohnraum bzw. einer Zwangslage der*des Mieter*in nur noch auf das objektive „Vorliegen“ eines knappen Wohnraumangebotes abgestellt wird. Zudem soll der Bußgeldrahmen von 50.000 Euro auf 100.000 Euro heraufgesetzt werden. Der entsprechende bayerische Gesetzesantrag wurde am 11.2.2022 erneut durch den Bundesrat beschlossen und beim Deutschen Bundestag eingebracht.
Die Landeshauptstadt München begrüßt grundsätzlich alle Gesetzesinitiativen, die dazu dienen, konsequent gegen Mietpreisüberhöhungen vorzugehen. Aus Sicht der Landeshauptstadt München eine öffentlich-rechtlicheRegelung wie § 5 WiStG, verbunden mit einer behördlichen Ahndungsmöglichkeit eine sinnvolle Ergänzung zur Mietpreisbremse.
Seien Sie versichert, dass sich auch Herr Oberbürgermeister Reiter seit Jahren auf sämtlichen politischen Ebenen für einen Ausbau des rechtlichen Schutzes von Mieter*innen einsetzt. So konnte beispielsweise erreicht werden, dass der Deutsche Bundestag beschlossen hat, die Modernisierungsumlage auf die Mieter*innen von 11 Prozent auf 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten zu senken.
Auch die Erweiterung des maßgeblichen Zeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre (vgl. § 558 Absatz 2 BGB) durch die Bundesregierung ist auf die Initiative der Landeshauptstadt München zurückzuführen.
Darüber hinaus hat sich Herr Oberbürgermeister Reiter mit einem Brief an das Bundesinnenministerium gewandt und mit Blick auf die zur Zeit explodierenden Energiekosten für Ballungsgebiete wie München gefordert, eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, die Geltungsdauer von qualifizierten Mietspiegeln ohne weitere Anpassung an die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt um bis zu drei Jahre zu verlängern. Leider wurde dies mit der Begründung abgelehnt, dass eine entsprechende Umsetzung nicht mit der gesetzlichen Vermutungswirkung qualifizierter Mietspiegel zu vereinbaren sei.
Final ist festzuhalten, dass trotz aller Bemühungen der Landeshauptstadt, beispielsweise der Schaffung bezahlbaren Wohnraums wie aktuell in Freiham, einer kommunalen Mietpreisbremse für die Wohnungen der städtischen Wohnungsunternehmen und dem größten wohnungspolitischen Handlungsprogramm Deutschlands „Wohnen in München“ der Münchner Wohnungsmarkt auch wegen des anhaltenden Zuzugs seit Jahren extrem angespannt ist. Daher kommt neben weiteren Neubauprojekten gerade in Hinblick auf den Schutz der Mieter*innen weiteren gesetzlichen Anpassungen großes Gewicht zu. Demnach sollten Modernisierungsumlagen auf die Dauer der Amortisation begrenzt werden. Ferner sollten alle Mietwohnungen ohne eine zeitliche Begrenzung in den Mietspiegel einfließen sowie eine Bodenrechtsreform durchgeführt werden. Genossenschaften müssen gefördert und staatliche Wohnbauprogramme verstärkt werden. Den Kommunen muss im Bereich des Zweckentfremdungs- und Erhal-
tungssatzungsrechts eine weitergehende regulatorische Kompetenz gegeben werden. Dies alles sind dringend erforderliche Maßnahmen, wobei die Gesetzgebungskompetenzen hier nicht bei der Landeshauptstadt München, sondern beim Bund oder beim Freistaat Bayern liegen.
Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.