Mit dem diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis wird der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow für sein „Tagebuch einer Invasion“ ausgezeichnet. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird jährlich für ein Buch vergeben, das „von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben.“ Der Preis wird gemeinsam vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V. und der Stadt München vergeben. Die Verleihung mit Ansprachen von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und Klaus Füreder, dem Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern e.V., findet am Montag, 28. November, mit geladenen Gästen statt.
Bei einer öffentlichen Lesung am Dienstag, 28. November, 20 Uhr, in der Buchhandlung Lehmkuhl, Leopoldstraße 45, liest Andrej Kurkow aus dem ausgezeichneten Buch und gibt im anschließenden Gespräch mit Niels Beintker (BR) über sich und das eigene Werk Auskunft. Karten für 10 Euro sind im Vorverkauf erhältlich über München Ticket. Informationen auch unter www.literaturfest-muenchen.de.
Zu den Preisträger*innen des Geschwister-Scholl-Preises zählten in den letzten Jahren unter anderem Joe Sacco, Hisham Matar, Garance Le Caisne, Achille Mbembe, Glenn Greenwald, Otto Dov Kulka, Liao Yiwu, Joachim Gauck, Roberto Saviano, David Grossman und Anna Politkovskaja.
Auszug aus der Jury-Begründung
Zwei Wochen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine notiert Andrej Kurkow in seinem „Tagebuch einer Invasion“: „Mich schaudert es dabei, die folgenden Worte niederzuschreiben, aber ich werde es trotzdem tun: Die Ukraine wird entweder frei, unabhängig und europäisch sein, oder es wird sie überhaupt nicht mehr geben.“ Der Schriftsteller Andrej Kurkow, einer der bekanntesten Romanciers und politischen Intellektuellen der Ukraine, hat es sich zum Ziel gesetzt, gegen das weitverbreitete Unwissen über Geschichte und Kultur der Ukraine, auf das er in den westlichen Gesellschaften stößt, anzukämpfen. Er will aufklären über die komplizierte und leidvolle Vergangenheit und Gegenwart dieses multiethnischen und multikulturellen Landes. Andrej Kurkow wurde 1961 in Sankt Petersburg geboren, seit seiner Kindheit lebte er in Kiew, der Stadt, aus der er durch den Krieg vertrieben wurde. Das Spannungsverhältnis zwischen der russischen und der ukrainischen Sprache und Kultur, das er in seinem „Tagebuch“ vielfach reflektiert, prägt auch seine eigene Existenz als ukrainischer Autor, der seine Romane und fiktionalen Texte in seiner Muttersprache Russisch schreibt. Mit Andrej Kurkows „Tagebuch einer Invasion“ wird ein Werk ausgezeich- net, das zugleich als eindringliche Chronik wie als kritische Reflexion einer politischen und zivilisatorischen Katastrophe zu lesen ist. Das Buch setzt bereits Monate vor dem russischen Angriff ein und legt in persönlichen Aufzeichnungen sowie längeren essayistischen Passagen ein bewegendes Zeugnis davon ab, was in der Ukraine geschieht. Auch wenn Kurkow notiert, dass ihm „schon längst die Worte für das Grauen ausgegangen“ seien, wirft er einen genauen Blick darauf, wie der Krieg das Leben der Menschen verändert. Nicht zuletzt im Nachdenken über die eigene Fami- liengeschichte führt Kurkow einem zudem die lange Unterdrückungsgeschichte der Ukraine vor Augen, die von zahlreichen Deportationen und Zwangsvertreibungen gekennzeichnet ist und dennoch eine nun bedrohte politische Tradition des Individualismus und der Liberalität hervorgebracht hat, die Freiheit höher bewertet als Sicherheit und ökonomische Stabilität.
Weitere Infos zum Geschwister-Scholl-Preis unter http://www.geschwister-scholl-preis.de.