Rechtslage zur Wahl der Referentinnen und Referenten dem Stadtrat vor der Wahl transparent darstellen!
Dringlichkeitsantrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Evelyne Menges, Manuel Pretzl und Professor Dr. Hans Theiss (CSU-Fraktion) vom 1.2.2022
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Dem Dringlichkeitsantrag Nr. 2349 wurde in der Sitzung der Vollversammlung des Stadtrats vom 2.2.2022 mehrheitlich die objektive Dringlichkeit nicht zuerkannt, so dass dieser Antrag geschäftsordnungsgemäß wie ein Antrag nach § 60 Abs. 6 Satz 3 GeschO behandelt wird.
Hintergrund der Entscheidung des Stadtrats über die Dringlichkeit war u.a., dass seitens der CSU-Stadtratsfraktion eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Wahl der Baureferentin mit Schreiben vom 19.1.2022 bei der Regierung von Oberbayern eingereicht wurde. Eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde liegt noch nicht vor.
Dennoch möchte ich Ihnen, wie bereits in der Vollversammlung zugesagt, im Vorfeld zu den in der nächsten Vollversammlung des Stadtrats am 23.2.2022 vorgesehenen Referent*innenwahlen die wesentlichen Fragen Ihres Dringlichkeitsantrags beantworten, ohne der noch ausstehenden Stellungnahme der Aufsichtsbehörde vorgreifen zu wollen.
Zu Ihren Fragen vom 1.2.2021 kann ich Ihnen auf Basis der Stellungnahme der Rechtsabteilung Folgendes mitteilen:
Thema Stellenausschreibung:
Nach Art. 12 Abs.1 KWBG sind Bewerberinnen und Bewerber für einen Referentenposten durch Stellenausschreibung zu ermitteln, wenn es im besonderen dienstlichen Interesse liegt. Hieraus folgt keine allgemeine Ausschreibungspflicht.
Die Stellenausschreibung stellt für den Dienstherren damit eines von mehreren Mitteln dar, geeignete Personen für bestimmte Dienstposten zu finden und auszuwählen. Zwar kann ein „besonderes dienstliches Interesse“ an der Ausschreibung von Spitzenpositionen auch in der verbesserten Transparenz und dem Bemühen liegen, dem Vorwurf einer „Ämterpatronage“ entgegenzuwirken.Gleichwohl steht dem Dienstherren bei der Prüfung, ob an der Stellenausschreibung ein besonderes dienstliches Interesse besteht, nach der Rechtsprechung grundsätzlich ein Wertungsspielraum zu (vgl. Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss v. 2.2.2021 – Az. 3 ZB 20.615).
Das Bayerische Staatsministerium hat zu den berufsmäßigen Stadtratsmitgliedern in der Vergangenheit allerdings die Auffassung vertreten, dass die Ausschreibung das gebotene Regelverfahren sei, um Art. 33 Abs.2 GG mit dem Grundsatz des Leistungsprinzips und dem Erfordernis der
Bestenauswahl sicherzustellen.
Ein Ausschreibungsverfahren als „Regelverfahren“ entspricht indes nicht der städtischen Praxis der letzten Amtsperioden. So wurden zuletzt die Leitung des Kreisverwaltungsreferats, des Baureferats und des Referats für Stadtplanung und Bauordnung (jeweils Wiederwahlen) sowie die Leitungen des Kulturreferats, Kommunalreferats, Bildungsreferats, der Stadtkämmerei, des Referats für Klima- und Umweltschutz und des Referats für Arbeit und Wirtschaft (jeweils erstmalige Besetzungen) ohne vorherige Ausschreibung besetzt.
All diese Besetzungen wurden von der Aufsichtsbehörde nicht gerügt.
Thema formelle Voraussetzungen:
In das Amt eines berufsmäßigen Gemeinderatsmitglieds kann gemäß Art. 12 KWBG nur berufen werden, wer zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister oder zur berufsmäßigen ersten Bürgermeisterin wählbar ist und
1.die laufbahnrechtliche Qualifikation besitzt, die seinem künftigen Aufgabengebiet entspricht,
oder
2. mindestens drei Jahre dem künftigen Aufgabengebiet entsprechend in verantwortlicher Stellung tätig gewesen ist.
Zum ersten Bürgermeister bzw. zur ersten Bürgermeisterin ist im Wesentlichen wählbar, wer Deutscher im Sinne des Grundgesetz ist, das 18. Lebensjahr vollendet hat und am Tag des Beginns der Amtszeit das 67. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zudem darf die Person nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen oder nachweisbar dienstunfähig sein (vgl. Art. 39 GLKrWG).
Zusätzlich zur allgemeinen Wählbarkeit als erster Bürgermeister muss ein*e Bewerber*in für das Amt als berufsmäßiges Gemeinderatsmitgliedentweder die laufbahnrechtliche Qualifikation für den höheren Dienst bzw. die vierte Qualifikationsebene besitzen (Art. 12 Abs. 2 Nr. 1 KWBG)
oder
mindestens drei Jahre dem künftigen Aufgabengebiet entsprechend in verantwortlicher Stellung tätig gewesen sein (Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KWBG).
Liegen bereits die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die 4. Qualifikationsebene vor, so kommt es auf eine verantwortliche Position, wie in Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KWBG gefordert, gerade nicht mehr an. Die Voraussetzungen müssen nach dem klaren Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 KWBG alternativ und nicht kumulativ vorliegen.
Die laufbahnrechtliche Qualifikation für die 4. Qualifikationsebene kann dabei nicht nur durch Ableistung eines Vorbereitungsdienstes (z.B. Referendariat) mit anschließender Qualifikationsprüfung (z.B. Staatsexamen) nachgewiesen werden, sondern auch durch Erwerb der Vorbildung und eine hauptberufliche Tätigkeit nach den Art. 38 und 39 LlbG (vgl. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 LlbG).
Art. 39 Abs. 2 Nr. 1 LlbG fordert für die vierte Qualifikationsebene als Vorbildung zunächst einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss (Erste Staatsprüfung, die Erste Juristische Prüfung, ein Diplom- oder Magisterabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation an einer Universität oder Kunsthochschule oder ein Masterabschluss) in einem für die jeweilige Fachlaufbahn relevanten Studiengang. Auf welche Fachlaufbahn abzustellen ist und welche Studiengänge hierfür qualifizieren, richtet sich dabei nach der jeweils in Rede stehenden Referent*innenposition sowie der Anlage 1 zum LlbG.
Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 LlbG fordert zusätzlich eine hauptberufliche Tätigkeit von mindestens drei Jahren (ohne Promotion), die durch Art. 39 Abs. 3 LlbG näher definiert wird. Die hauptberufliche Tätigkeit muss - vergleichbar dem Vorbereitungsdienst – ein berufspraktisches Bindeglied zwischen dem Hochschulabschluss und den Aufgaben im fachlichen Schwerpunkt darstellen. Sie muss also gerade in dem fachlichen Bereich ausgeübt werden, für den das Studium qualifiziert und hinsichtlich Bedeutung und Schwierigkeit der Ausübung eines Amtes in der 4. Qualifikationsebene entsprechen. Zudem muss die Fähigkeit des Bewerbers oder der Bewerberin zu fachlich selbstständiger Berufsausübung in den Aufgaben des fachlichen Schwerpunkts nachgewiesen werden.Eine Führungs- oder Budgetverantwortung wird vom Landeslaufbahngesetz für den Einstieg in die 4. Qualifikationsebene nicht gefordert. Diese wäre deshalb nur dann nachzuweisen, wenn die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die 4. Qualifikationsebene nicht vorliegen, z.B. wenn ein*e Bewerber*in schon kein Hochschulstudium abgeschlossen hat und sich deshalb die Beurteilung des Vorliegens der Wählbarkeitsvoraussetzungen nur noch an Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 KWBG orientieren kann. Nur in diesem Fall hängt die Wählbarkeit davon ab, ob die vorherige Berufstätigkeit hinsichtlich Aufgabenbereich und Verantwortung mit dem konkreten Amt als Referent*in bei der LHM vergleichbar ist.
Thema Leistungsprinzip:
Beamtenernennungen sind nach dem Leistungsprinzip (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) vorzunehmen. Dies gilt auch für kommunale Wahlbeamte.
1. Eignung
Der Bewerber muss körperlich, geistig und charakterlich qualifiziert sein, das angestrebte Amt auszuüben. Diese Eignung muss ihm gerade nach außen die Achtung und Vertrauen in seine Person und Amtsführung verleihen. Zu ermitteln sind diese Kriterien durch Beurteilung der angeborenen Anlagen und des bisherigen Verhaltens des Bewerbers.
2. Befähigung
Zur Beurteilung der Befähigung sind maßgeblich die angeborenen, ausgebildeten und erworbenen Eigenschaften des Bewerbers zu berücksichtigen. Grundlage der Wertung ist oft dessen bisheriges berufliches Wirken.
3. fachliche Leistung
Die Berücksichtigung der fachlichen Leistung ist Ausfluss des verfassungsrechtlich verankerten Leistungsprinzips und Diskriminierungsverbots. Eine Würdigung dieses Tatbestandsmerkmals erfordert, dass beim Bewerber schon praktische Berufserfahrung vorhanden ist, was aber regelmäßig der Fall sein dürfte, vgl. zu 1.-3. Hümmer, Komm. zu KWBG, Art. 12 RdNr.3.
Thema Auswahlkriterien:
Die Auswahlentscheidung ist die Summe einer wertenden Gewichtung unbestimmter Rechtsbegriffe mit einem weiten Ermessensspielraum für die entscheidende Gemeinde. Die Auswahlentscheidung ist nur eingeschränkt verwaltungsgerichtlich überprüfbar. So darf sich die Entscheidung alsonicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Überzeugung, Herkunft oder Beziehungen gründen.
Von den vorstehenden Ausführungen bitte ich Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.