Alles für die Aufklärung des NSU-Komplexes in Bayern tun – Zweiter NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern
Antrag Stadtrats-Mitglieder Mona Fuchs, Nimet Gökmenoglu, Dominik Krause, Marion Lüttig, Angelika Pilz-Strasser, Christian Smolka, Sibylle Stöhr (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste), Kathrin Abele, Simone Burger, Barbara Likus, Lars Mentrup, Cumali Naz, Lena Odell, Dr. Julia Schmitt-Thiel, Christian Vorländer, Micky Wenngatz (SPD/Volt-Fraktion), Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner, Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) und Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 27.10.2021
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Mit dem vorliegenden Antrag „Alles für die Aufklärung des NSU-Komplexes in Bayern tun – Zweiter NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern“ haben Sie mich darum gebeten, mich mit der Forderung des Münchner Stadtrats an den Bayerischen Landtag zu wenden, dass der Freistaat Bayern alles in seiner Macht Stehende tut, um den NSU-Komplex in Bayern lückenlos aufzuklären und ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag eingesetzt wird.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb ich Ihren Antrag als Brief beantworte.
Zu Ihrem Antrag vom 27.10.2021 kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Ich unterstütze Ihren Antrag und habe daher den nachfolgend abgedruckten Brief an Frau Landtagspräsidentin Ilse Aigner gesendet:
„Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin Aigner,
am 4. November des vergangenen Jahres jährte sich die Selbstenttarnung des sog. ‚Nationalsozialistischen Untergrunds‘ (NSU) zum zehnten Mal. Im Freistaat Bayern wurden insgesamt fünf Menschen – Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Habil Kılıç, İsmail Yaşar und Theodoros Boulgarides – von der neonazistischen Terrorgruppe ermordet, zwei davon in München. Trotz des Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag, der in den Jahren 2012 und 2013 stattfand, sowie des umfangreichen Strafprozessesgegen Beate Zschäpe und vier weitere Personen vor dem Oberlandesgericht München, sind auch heute, mehr als 20 Jahre nach dem ersten Mord des sog. ‚NSU‘, viele Fragen offen.
Die hinterbliebenen Angehörigen und Freunde der Opfer, unter anderem der beiden Münchner Bürger Habil Kılıç und Theodoros Boulgarides, leiden immer noch stark unter dieser großen Ungewissheit. Und auch für diejenigen Münchner Bürger*innen, die indirekt von den rassistischen Botschaftstaten des sog. ‚NSU‘ betroffen sind, ist insbesondere die ungeklärte Frage, ob alle Unterstützer*innen der neonazistischen Terrorgruppe gefasst wurden, eine große Belastung.
Seit dem Abschluss des ersten Untersuchungsausschusses im Bay-
erischen Landtag liegen zahlreiche neue Erkenntnisse aus dem sog. ‚NSU-Prozess‘, aus den insgesamt 13 Untersuchungsausschüssen in Bund und Bundesländern sowie aus Medien-Recherchen vor, die in einem zweiten Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag Berücksichtigung finden und Erkenntnisse liefern könnten. Der Münchner Stadtrat hat daher mit großer Mehrheit beantragt, dass ich mich als Oberbürgermeister auf Landesebene dafür einsetze, dass es einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag geben soll.
Mir ist bewusst, dass es wohl leider nie gelingen wird, alle Einzelheiten des sog. ‚NSU-Komplexes‘ umfassend aufzuklären. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass noch zu viele Fragen offen geblieben sind und erneute Untersuchungen helfen könnten, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in staatliches Handeln wiederherzustellen, das – nicht nur bei den überlebenden Opfern und den Angehörigen und Freunden der Ermordeten – durch die Verfehlungen bei der Aufklärung der Morde verloren gegangen ist. Auch im Namen des Münchner Stadtrates bitte ich Sie daher darum, das Anliegen zu unterstützen, einen weiteren Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag zu den Morden des sog. ‚NSU‘ einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Reiter“
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.