Steigender Anzahl von Zwangsverheiratungen und Genitalverstümmelung bei Mädchen entgegenwirken
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Beatrix Burkhardt, Alexandra Gaßmann, Ulrike Grimm, Hans Hammer, Heike Kainz, Dr. Evelyne Menges und Veronika Mirlach (CSU-Fraktion) vom 8.1.2021
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Vielen Dank für Ihren Antrag vom 8.1.2021 zu den wichtigen Themen „Steigender Anzahl von Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung bei Mädchen entgegenwirken“.
Sie beantragten Folgendes:
„Die Landeshauptstadt München geht entschlossen gegen die dramatisch steigende Anzahl von Genitalverstümmelung bei Mädchen und Zwangsverheiratungen vor. Hierzu werden folgende Maßnahmen geprüft und umgesetzt:
- starke Ausweitung der Aufklärung bei Familien mit Migrationshintergrund in mehreren Sprachen.
- Meldepflichten innerhalb der Organe der LHM bei entsprechendem Verdacht.
- Kürzung bzw. Streichung von städtischen Förderungen bei Verstoß gegen diese Verbote.
Weiterhin setzt sich die Landeshauptstadt München für die folgenden Gesetzesinitiativen ein:
- Einordnung der entsprechenden Tatbestände als Straftaten.
- Aussetzung der Verjährung bei Tatbestand der Genitalverstümmelung bei Mädchen.
- Konsequente Inobhutnahme von Kindern bei entsprechenden Verdachtsmomenten.“
Aufgrund erforderlicher interner Abstimmung konnte der Antrag nicht innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist erledigt werden. Eine Fristverlängerung bei der Stadtratsfraktion der CSU bis einschließlich 11.12.2021 wurde genehmigt. Die Gleichstellungsstelle hat sich zum Antrag in Form einer Stellungnahme geäußert. Diese liegt bei. Das Gesundheitsreferat (GSR) wurde ebenfalls beteiligt. Das GSR nimmt im Rahmen seiner Stellungnahme auch Bezug zur von der Gleichstellungsstelle aufgeworfenen Frage nach einer weitergehenden Unterstützung durch die Landeshauptstadt (Seite 5).Bezogen auf die einzelnen Themen in Ihrem Antrag teilen wir Ihnen mit, dass Ihrem Anliegen bereits entsprochen wurde. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen dazu Folgendes mit:
Starke Ausweitung der Aufklärung bei Familien mit Migrationshintergrund in mehreren Sprachen
Auf die in München vorhandene Bedarfslage wird durch das Sozialreferat/ Stadtjugendamt bereits seit Jahren durch die dauerhafte Förderung von Wüstenrose, Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C (IMMA e. V.) reagiert.
Der Stadtrat hat mit Beschlussfassung der Vollversammlung vom
24.10.2012 (Sitzungsvorlage Nr. 08-14/V 10065) die Schaffung und dauerhafte Förderung einer zentralen Fach- und Anlaufstelle zur Verhinderung von Zwangsheirat beschlossen. Diese ist seit dem 15.3.2013 mit dem Projekt Wüstenrose beim Träger IMMA e. V. mit 2 VZÄ sozialpädagogischen Fachkraftstellen eingerichtet. Zielgruppe sind Mädchen und junge Frauen, Jungen und junge Männer, die von Zwangsheirat oder „Gewalt im Namen der Ehre“ bzw. Verschleppung bedroht oder betroffen sind.
Mit Beschlussfassung der Vollversammlung des Stadtrates vom 25.2.2016 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 04241) wurde die Wüstenrose um den Arbeitsbereich FGM-C/weibliche Genitalbeschneidung erweitert und dafür zusätzlich dauerhaft mit 0,5 VZÄ sozialpädagogischer Fachkraftstelle ausgestattet. Aufgrund der hohen Fallzahlen sowie aufgrund des hohen Bedarfs an sprachlicher und kultureller Vermittlung wurde der Arbeitsbereich FGM-C/weibliche Genitalbeschneidung mit Beschlussfassung der Vollversammlung des Stadtrates vom 27.11.2019 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/ V 15937) um weitere 0,5 VZÄ sozialpädagogische Fachkraftstelle sowie 3 x 8 WAZ Kulturmittlerinnentätigkeit dauerhaft erweitert.
Damit ist die Wüstenrose, Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C aktuell mit 3 VZÄ sozialpädagogischen Fachkräften sowie mit 24 WAZ Kulturmittlerinnen aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen ausgestattet. Alle Mitarbeiter*innen sind interkulturell kompetent besetzt, so dass gerade in den Bereichen Beratung und Prävention auf sprachliche und kulturelle Bedarfe eingegangen werden kann.
Das Aufgabenspektrum von Wüstenrose, Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C, lässt sich in drei Schwerpunkte untergliedern:
- Betroffene und deren Bezugspersonen erhalten Beratung, Unterstützung, Stärkung, Begleitung und Informationen über weiterführende Hilfen. Dabei ist die Beratung als ein Prozess zu sehen, der sich überWochen bis Monate erstrecken kann und immer wieder notwendige
Kriseninterventionen beinhaltet.
- Schulungen und Fortbildungen für Fachkräfte zur Sensibilisierung und Vermittlung von Handlungswissen sowie individuelle Fachberatung
von Fachkräften zur Unterstützung und Begleitung in der Einzelfall- und Gruppenarbeit.
- Prävention um aufzuklären, zu enttabuisieren und Betroffene zu erreichen.
Darüber hinaus pflegt Wüstenrose, Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C feldübergreifende Kooperationen mit Institutionen in München, Bayern und auf Bundesebene.
Der Bereich der Prävention beinhaltet unter anderem:
- Schulworkshops zur Aufklärung über Zwangsheirat und FGM-C für Schüler*innen ab 14 Jahre.
- Mütterseminare zur Aufklärung über Zwangsheirat und FGM-C. - Trainings für Geflüchtete zu Themen wie Gleichberechtigung von Frau und Mann, unterschiedliche Beziehungs- und Lebensformen, sexuelle Identität und Vielfalt.
- Öffentlichkeitsarbeit
- Durch die personelle Aufstockung um die Kulturmittler*innen wird seit 2020 Communityarbeit als weiteres Präventionsangebot aufgebaut, um vermehrt Frauen* aus Prävalenzregionen durch passende Angebote zu erreichen.
Fazit:
Die Wüstenrose, Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C, hat seit ihrem Bestehen mit viel Engagement und Tatkraft auf die in München vorhandene Bedarfslage reagiert. Die Angebote wurden kontinuierlich ausgebaut und greifen vorhandene Bedarfe aktuell, (kultur-)sensibel und verbindlich auf. Durch die dauerhafte Förderung des Sozialreferates/Stadtjugendamt wurde damit ad-äquat auf die vorhandene Bedarfslage reagiert.
Das GSR berichtet, dass in den letzten Jahren die Zahl der Münchnerinnen, die aus einem Land kommen, in denen weibliche Genitalverstümmlung/ -beschneidung (FGM/C)1 praktiziert wird, deutlich angestiegen ist: Im Jahr 2006 waren 5.500 Frauen und Mädchen aus Ländern mit FG-M/C-Praxis in München gemeldet, 2017 waren es bereits 11.370. Im Jahr 2021 leben 12.140 Frauen aus FGM/C-Herkunftsländern in München, darunter mehr als 2.500 Mädchen unter 14 Jahren. Es ist davon auszugehen, dass nicht alle von einer FGM/C betroffen oder bedroht sind. Expert*innen gehen davon aus, dass schädliche Traditionen schwinden, je heimischer eine Familie im Residenzland wird. Darüber hinaus fällt der prozentuale Anteil von FGM/C in den einzelnen Herkunftsländern sehr unterschiedlich aus (Spannbreite von 2% bis mehr als 90%). Dennoch geht das GSR von mehreren tausend Frauen und Mädchen aus, die hier in München mit einer FGM/C leben müssen oder von einer FGM/C bedroht sind. Das GSR setzt sich seit vielen Jahren für die Prävention von FGM/C und die bessere Versorgung betroffener Frauen und Mädchen ein. Mit der Sitzungsvorlage „Prävention und Versorgung bei weiblicher Genitalverstümmelung“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V12280) hat zuletzt der Gesundheitsausschuss am 8.11.2018 mehrere Maßnahmen beschlossen, um Defizite in der Versorgung und Prävention abzumildern. Zur aktuellen Situation und zur Umsetzung dieser Maßnahmen kann Folgendes berichtet werden (Stand: 12.7.2021):
1. Versorgung von Frauen und Mädchen, die von FGM-C betroffen sind FGM/C kann zu schwerwiegenden körperlichen und psychischen Folgen führen. Um den Frauen eine bestmögliche medizinische und psychosoziale Unterstützung anzubieten, hat sich in München über die letzten Jahre eine sehr gute Hilfestruktur etabliert. So findet beispielsweise eine wöchentliche gynäkologische Sprechstunde für von FGM/C betroffene Frauen im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München statt. Die Sprechstunde bietet Beratung für von FGM/C betroffene schwangere Frauen, Betreuung für Frauen mit Beschwerden durch FGM/C, Beratung zur Defibulation oder die Erstellung von Gutachten an.Das GSR hat in den letzten Jahren viele Fortbildungen, Fachtage und kollegiale Beratungen für medizinische Fachkräfte durchgeführt. Darüber hinaus erstellt das GSR seit 2002 einen Newsletter zu FGM/C. Er richtet sich an Fachkräfte und Interessierte und enthält neben fachlichen Informationen zum Thema FGM/C einen Adressteil zu Unterstützungsangeboten und zu Initiativen gegen FGM/C.
Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 zeigte, dass beim medizinischen Personal erhebliche Wissenslücken vorhanden sind. Ergebnis der Umfrage war auch, dass sich die Fachkräfte u. a. mehr Informations-, Aufklärungs- und Anschauungsmaterial zum Thema FGM/C wünschen. Mit der Veröffentlichung eines Leitfadens für medizinische Fachkräfte im Herbst 2021 möchte das GSR diesem Bedarf nach Information nachkommen. Der Leitfaden wurde von der Frauenklinik Genf (Schweiz) und der Frauenklinik der University of Phoenix (USA) für die gesundheitliche Versorgung von durch FGM/C betroffene Frauen und Mädchen entwickelt. Er richtet sich insbesondere an Ärzt*innen in der Frauen- und Kinderheilkunde, aber auch an Hebammen. Das GSR hat den Leitfaden aus dem Englischen übersetzen lassen und mit lokalen Expert*innen abgestimmt. Um den Leitfaden an die hiesigen Bedürfnisse anzupassen, wurden Ergänzungen z. B. über den gesetzlichen Rahmen in Deutschland vorgenommen.
Um die Kommunikation bei der medizinischen Versorgung zu verbessern, hat das GSR zudem einen Pool von Kulturmittler*innen aus verschiedenen FGM/C-Prävalenzländern ausgebildet. Die speziell für FGM/C geschulten Kulturmittler*innen können von Kliniken und Praxen angefordert werden, um eine kultursensible und einfühlsame gesundheitliche Aufklärung, Beratung und Behandlung zu ermöglichen. Die Kosten für die Kulturmittlung werden vom GSR getragen.
Zur Frage der weitergehenden Unterstützung, die die Gleichstellungsstelle aufgeworfen hatte, nimmt das GSR wie folgt Stellung:
„Patientinnen mit einer FGM-C bedürfen einer besonderen und aufwändigen ärztlichen und psychosozialen Betreuung und Beratung. Dabei geht es insbesondere um die chronischen Folgen der FGM-C und um die möglichen Komplikationen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft und Geburt. Darüber hinaus kann ein Trauma mit der FGM-C einhergehen, das eine psychosomatische Betreuung erforderlich macht. Immer ist dabei eine kultursensible Beratung und Betreuung durch geschultes Gesundheitspersonal erforderlich. Dieser Mehraufwand wird im Rahmen der Gebührenordnung aktuell nicht vergütet. Neben einer besseren Vergütung wäre eine verstärkte Verwendung des seit 2014 existierenden ICD-10-Codefür FGM-C wünschenswert, um Daten für die Sicherung und Verbesserung der medizinischen Versorgung sowie der Prävention von FGM-C zu generieren.
Das GSR setzt sich zusammen mit seinen Kooperationspartner*innen im Münchner FGM-Netzwerk seit mehreren Jahren in entsprechenden Gremien für eine Anpassung der Gebührenordnung zugunsten von Ärzt*innen, die von FGM-C betroffene Frauen beraten und behandeln, ein. Darüber hinaus werden kontinuierlich Maßnahmen in München entwickelt und umgesetzt, um Ärzt*innen und medizinische Einrichtungen bei der Versorgung von Betroffenen zu unterstützen (Finanzierung von Dolmetschereinsätzen, Schulungen und Fortbildungen für medizinische Fachkräfte, Informationsmaterial usw.).
Die Weiterentwicklung der Honorare von niedergelassenen Ärzt*innen wird auf Bundesebene durch den GKV-Spitzenverband und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verhandelt. Im Anschluss an die Entscheidungen der Bundesebene verhandeln die regionalen Gesamtvertragspartner (Landesebene).“
2. Prävention von FGM/C und Kinderschutz
Im GSR existieren definierte Standards, wie im Rahmen des präventiven Kinderschutzes Familien über das Thema aufgeklärt und informiert werden und potentiell bedrohte Mädchen identifiziert werden können. Dazu gehört zum Beispiel die gezielte Ansprache des Themas FGM/C in Familien mit Mädchen aus einem FGM/C-Herkunftsland, z. B. beim aufsuchenden Gesundheitsdienst zur Frühkindlichen Gesundheitsförderung oder bei schulgesundheitlichen Untersuchungen. Ebenso sind in allen betroffenen Dienststellen des GSR verbindliche und systematische Kooperations- und Vernetzungsstrukturen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen im Falle von Verdachtsfällen der Kindeswohlgefährdung bekannt und werden angewandt.
Um Mädchen und Frauen aus entsprechenden Herkunftsländern in München vor FGM/C zu schützen, hat der Gesundheitsausschuss 2018 ein Projekt zur Sensibilisierung und Aufklärung auf der Community Ebene beschlossen. Dabei sollen Schlüsselpersonen aus entsprechenden Communities Maßnahmen in ihren Gemeinschaften durchführen, mit denen sie über die rechtlichen, kulturellen, religiösen, sozialen und gesundheitlichen Dimensionen von FGM/C aufklären. Ziel ist es bei denjenigen, die FGM/C befürworten, die Einstellung zu ändern, und diejenigen, die sich bereits gegen FGM/C entschieden haben, in ihrem Entschluss zu stärken. Das GSRhat im Rahmen eines Vergabeverfahrens die Fachstelle „Wüstenrose“ vom Träger IMMA e. V. beauftragt, das Projekt zu planen und umzusetzen. Das Projekt startete im Sommer 2021 für eine Dauer von vier Jahren.
Meldepflichten innerhalb der Organe der Landeshauptstadt München bei entsprechendem Verdacht
Der Verdacht auf FGM wird als Anzeichen einer möglichen Kindeswohlgefährdung eingeschätzt und nach den fachlichen Standards im Sozialreferat bearbeitet. Hinweise auf eine Genitalverstümmelung stellen grundsätzlich einen gewichtigen Anhaltspunkt für eine Gefährdung des Kindeswohls dar. Der Schutzauftrag der Jugendhilfe besteht darin, in Fällen bei denen gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Mädchen von Genitalverstümmelung bedroht sein könnte, sicherzustellen, dass die Unversehrtheit des Mädchens gewahrt bleibt. Dadurch erfolgt stets eine Abklärung der Gefährdung gemäß der Dienstanweisung „Schutzauftrag nach § 8a Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und Handhabung von Gefährdungsfällen und Qualitätssicherung in Gefährdungsfällen“.
Zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 21.7.2017 wurde im Sozialreferat ein Handlungsleitfaden entwickelt.
Der Umgang mit bzw. Meldungen von Gefährdungen an das Jugendamt/ Sozialbürgerhaus sind durch gesetzliche Grundlagen und Kooperationsvereinbarungen geregelt. Der § 8a SGB VIII legt den Umgang mit dem gesetzlichen Schutzauftrag in der Jugendhilfe fest. Der § 8b SGB VIII regelt den Anspruch auf Beratung bei einer Gefährdungseinschätzung für alle Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt stehen. Diese Beratung erfolgt durch die insoweit erfahrenen Fachkräfte (IseF). Dies wird durch den § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) ergänzt, in dem ebenfalls der Anspruch auf Beratung festgeschrieben steht, aber auch der Umgang aller mit dem Hinweis auf gewichtige Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung sowie der Zeitpunkt, wann das Jugendamt zu informieren ist und damit die Übermittlung von Daten geregelt ist. Konkret ist dieses Verfahren in der Münchner Vereinbarung zum Kinderschutz beschrieben. Alle Träger und Anbieter*innen von Jugendhilfeleistungen sind verpflichtet, diese Vereinbarung zu unterzeichnen.
Kooperationsvereinbarungen und der Austausch in Gremien mit z. B. den Kinderschutzambulanzen, der Polizei, der Justiz usw. bilden eine weitere und wichtige Grundlage für eine gute Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen.
Fazit
Für alle Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen im Kontakt sind, besteht die Verpflichtung, bei Hinweisen auf eine Gefährdung zu handeln und die Gefährdung nach den oben beschriebenen Standards und Vereinbarungen abzuwenden bzw., falls dies nicht zum Erfolg führt, eine Mitteilung an das Jugendamt vorzunehmen. Somit sind keine weiteren Meldepflichten innerhalb der Organe der Landeshauptstadt München notwendig.
Kürzung bzw. Streichung von städtischen Förderungen bei Verstoß gegen diese Verbote
Empfänger*innen städtischer Förderungen müssen Mindestanforderungen erfüllen. So wird z. B. die Darstellung oder Verbreitung sexistischer und sonstiger menschenfeindlicher Inhalte sowie die Verächtlichmachung von Freiheit und Würde ausgeschlossen. Diese Mindestanforderungen sind in jeweils konkrete Förderrichtlinien umzusetzen, die aber die Mindestanforderungen nicht unterschreiten dürfen. Organisationen, die die im Antrag angesprochenen Punkte propagieren, sind somit schon jetzt von städtischer Förderung ausgeschlossen.
Ob es schon Fälle gegeben hat, in denen aufgrund eines konkreten Verdachts oder Vorfalls Förderungen eingestellt wurden, ist derzeit nicht bekannt und bedürfte gesonderter Nachfrage bei einschlägigen Förderstellen.
Einordnung der entsprechenden Tatbestände als Straftaten
In Deutschland ist FGM im September 2013 bereits als ausdrücklicher Straftatbestand nach § 226a Strafgesetzbuch (StGB) (u. a. schwerwiegender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit) in die Gesetze aufgenommen worden und wurde zum Verbrechen heraufgestuft. Daher existiert schon eine Einordnung der Verstümmelung als Straftat, mit Strafandrohung von nicht unter einem Jahr und stellt somit ein Verbrechen dar, § 12 Abs. 1 StGB. Weiter ist seit 2015 das Ruhen der Verjährung nun bis zum vollendeten 30. Lebensjahrs des Opfers möglich.
Aussetzung der Verjährung beim Tatbestand der Genitalverstümmelung bei Mädchen
„Wegen der Schwere der Rechtsverletzung wurde mit § 226a StGB ein eigenständiger Straftatbestand für die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien geschaffen, der diese Straftat zum Verbrechen heraufstuft. Dieser sieht einen gegenüber der (gefährlichen) Körperverletzung erhöhten Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe vor.Aufgrund dieser Strafandrohung gilt für Taten nach § 226a StGB eine Verjährungsfrist von 20 Jahren (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Zudem wurde § 226a StGB in § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB, der das Ruhen der Verjährung regelt, aufgenommen. Diese Ruhensregelung wurde zwar schon im Jahr 2009 ergänzt, um auch ohne einen eigenständigen Straftatbestand die Fälle der weiblichen Genitalverstümmelung zu erfassen. Durch den nunmehr möglichen Verweis auf den neuen Straftatbestand des § 226a StGB wurde sie jedoch klarer und einfacher gefasst.
Außerdem wurde der in § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmte Zeitraum, in dem die Verjährung ruht, nachdem er bereits Mitte 2013 bis zum 21. Lebensjahr des Opfers verlängert wurde, Anfang 2015 nochmals deutlich verlängert:
Mit dem 49. Strafrechtsänderungsgesetz – Umsetzung europäischer Vorgaben im Sexualstrafrecht – wurde dieser Zeitraum bis zur Vollendung des 30. Lebensjahrs des Opfers ausgedehnt. Ebenfalls durch das 49. Strafrechtsänderungsgesetz wurde auch der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts für im Ausland begangene Taten nach § 226a StGB erweitert. Nach § 5 Nr. 9a Buchstabe b StGB gilt deutsches Strafrecht, unabhängig vom Recht des Tatorts, auch für im Ausland begangene Taten nach § 226a StGB, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist oder wenn sich die Tat gegen eine Person richtet, die zur Zeit der Tat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
Um den Schutz vor sogenannten „Ferienbeschneidungen“ zu erhöhen, kann aufgrund einer Änderung im Passgesetz seit Mitte Juli 2017 bei im Ausland drohender weiblicher Genitalverstümmelung der Pass entzogen werden“2.
Konsequente Inobhutnahme von Kindern bei entsprechenden Verdachtsmomenten
Das Tätigwerden des Jugendamtes baut unter anderem auf die Grundrechte des Grundgesetzes (GG) auf. Artikel 6 GG besagt, dass die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht ist. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Oberstes Ziel des SGB VIII ist es, die Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe zu unterstützen. Dieses Verständnis liegt auch der Inobhutnahme als kurzfristiger und vorläufiger Schutzmaßnahme zugrunde. Sie dient primär der Gefahrenabwehr und ist nur dann erforderlich, wenn die Eltern trotz Förderung und Hilfe nicht in der Lage oder Willens sind, eine akute oder drohende Gefahr selbst, mit Unterstützung Dritter oder mittels Inanspruch-nahme von Hilfen zur Erziehung abzuwenden und weniger eingreifende Maßnahmen nicht in Betracht kommen3.
Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 22.7.2017 gibt dem Jugendamt den Auftrag zum Tätigwerden. Das Vorgehen ist in einem Handlungsleitfaden festgehalten. Jedem Hinweis ist konsequent nachzugehen. Eine vorläufige Inobhutnahme in diesen Fällen ist dann konsequent angezeigt, wenn ein Minderjährige*r verheiratet ist und die Minderjährigen ohne Begleitung der Personensorgeberechtigten in München ankommen.
Es besteht die Verpflichtung für das Jugendamt zur konsequenten Abklärung der Gefährdung, zur Sicherung des Kinderschutzes sowie zur Befähigung der Familie zum eigenen Handeln. Haben sich bei der Abklärung der Gefährdung gewichtige Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung bestätigt und können die Eltern selbst den Schutz des Kindes nicht gewährleisten bzw. sind nicht zur Zusammenarbeit bereit, erfolgt eine Inobhutnahme bzw. eine Anrufung des Familiengerichtes.
Fazit
Zusammenfassend möchte ich erwähnen, dass mit dem Ausbau der Stellen bei der Beratungsstelle Wüstenrose jährlich mehr betroffene Personen erreicht werden können.
Aktuell wird eine starke Ausweitung der Aufklärung bei Familien mit Migrationshintergrund umgesetzt. Es gibt Überlegungen diese Maßnahmen in Zukunft auch in weiteren Sprachen umzusetzen. Die Meldepflichten innerhalb der Landeshauptstadt München bei entsprechendem Verdacht sind geregelt. Die Zusammenarbeit gelingt gut und Kooperationsgespräche ergänzen die fachliche Arbeit. Für eine städtische Förderung bestehen bereits Mindestanforderungen, die einzuhalten sind. Mit der Gesetzesänderung von 2013 ist der Tatbestand FGM bereits als Straftat aufgenommen und als Verbrechen eingestuft. Ebenso ist bereits eine Ausweitung der Verjährung erfolgt. Um zu entscheiden, ob eine noch längere „Ruhensfrist“ einsetzen soll, bräuchte es hierzu noch Angaben über einen entsprechenden Bedarf, also Erkenntnisse darüber, dass die Ausdehnung auf 30 Jahre noch nicht ausreichend ist. Eine konsequente Inobhutnahme von Kindern wird durchgeführt oder das Familiengericht wird angerufen, wenn sich bei der Abklärung einer möglichen Kindeswohlgefährdung die gewichtigen Anhaltspunkte bestätigt haben und die Erziehungsberechtigten nicht in der Lage sind, ihr Kind zu schützen bzw. Hilfen anzunehmen.
Sie können versichert sein, dass im Sozial- und im Gesundheitsreferat sowohl die Themen Zwangsverheiratung als auch die Genitalverstümmelungbei Mädchen sehr präsent sind und konsequent und kooperativ an den Themen gearbeitet wird.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Weiblicher Genitalverstümmelung/-beschneidung:FGM/C; englisch: Female Genital Mutilation/Cutting. 2 Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik, Berichtszeitraum 1. Oktober 2016 bis 30. September 2018, S. 33.
3 ZBFS, Empfehlungen zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen gemäß § 42 SGB VIII.