Umrüstung des HKW Nord 2 auf Erdgas: Ende der Kohleverbrennung in München?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner, Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) und Dirk Höpner, Nicola Holtmann, Tobias Ruff (Fraktion ÖDP/München-Liste) vom 17.11.2021
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 17.11.2021 führten Sie als Begründung aus:
„Die Nachricht, dass der Kohleblock der Stadtwerke München (SWM) am Standort Nord schon in der nächsten Heizperiode auf Erdgas umgerüstet werden könnte, kam für viele Beteiligte sehr plötzlich. Auslöser war ein Prüfantrag der Grün-Roten Koalition Anfang Oktober. Ein endgültiges Ende der Kohleverbrennung würde einen weiteren Erfolg des Bürgerbegehrens ‚Raus aus der Steinkohle‘ bedeuten, nachdem zuvor eine Reduktion der Fahrweise des Kohleblocks und die wahrscheinliche Verhinderung der GuD3 durch den Druck der Zivilgesellschaft erreicht wurde. Doch auch bei einer Umstellung auf Erdgas muss klar sein, dass die benötigte Wärme für die Stadt schnellstmöglich auf Erneuerbare Energien, wie Geothermie, umgestellt werden muss. Auch mit Gasbefeuerung muss das HKW Nord 2 entsprechend früherer Stadtratsbeschlüsse spätestens 2028 abgeschaltet werden und zuvor auch nur zur nötigen Abdeckung einer vorrübergehenden Wärmelücke im Winter eingesetzt werden. Eine Umschaltung auf Erdgas darf nicht zu mehr CO2-Emissionen führen. Eine Umstellung auf Erdgas wurde von der Zivilgesellschaft und von ÖDP und LINKEN als eine Möglichkeit der Umsetzung des Bürgerentscheides zuvor schon ins Spiel gebracht. Diese Möglichkeit wurde jedoch im TÜV-Süd-Gutachten ‚Prüfung der Umsetzung des Bürgerbegehrens ‚Raus aus der Steinkohle‘‘ aus dem Herbst 2019 als nicht möglich umschrie- ben. Obwohl das HKW Nord 2 laut Gutachten ursprünglich auch für eine Erdgas-Befeuerung ausgelegt wurde, gäbe es keine ausreichenden Betriebserfahrungen und keine ausreichende Gasversorgung am Standort. Da der aktuelle Vorstoß der Regierungskoalition diesen früheren Aussagen widerspricht, bleiben einige offene Fragen. Eine Bearbeitung der Anfrage bis zur Vorstellung der Wärmestudie im Stadtrat am 7. Dezember 2021 wäre dafür wünschenswert.“
Die um Prüfung und Stellungnahme gebetene Stadtwerke München GmbH (SWM) teilte Folgendes mit:
Frage 1:
Wurde der Inhalt des Antrags der Grün-Roten Koalition im Vorlauf mit den Stadtwerken München abgesprochen?
Antwort:
Im Aufsichtsrat der SWM sowie im Rahmen der Information des Oberbürgermeisters durch die Geschäftsführung der Stadtwerke München wurde immer wieder über die Problematik der reduzierten Kohleverfeuerung sowie über mögliche Alternativen zur Erreichung einer CO2-optimierten Fahrweise informiert.
Frage 2:
Laut Gutachten des TÜV Süd, das in Zusammenarbeit mit den SWM entstanden ist, war die damalige maximale Gasbezugsleistung nur für einen Teillastbetrieb des Kraftwerkes ausreichend und nach Aussage des Gasnetzbetreibers wäre „eine Erweiterung der Gasversorgungsstation im bestehenden Raum nicht möglich“. Stimmt die Aussage aus dem Antrag von Grün-Rot und wenn ja, aus welchen Gründen war die Erweiterung nun doch möglich?
Antwort:
Die Aussage im Gutachten des TÜV Süd („Die maximale Gasbezugsleistung für das HKW Nord 2 ist derzeit unter Berücksichtigung der Ausführung der lokalen Gasversorgungsanlage gesichert auf 30.000 m³/h begrenzt (ungesichert 60.000 m³/h).“) ist weiterhin richtig. Die SWM haben geprüft, ob in normalen Zeiten durch den Verzicht auf Redundanzen ein gleichzeitiger Betrieb von Reserve- und Betriebsschienen unter Berücksichtigung der notwendigen Versorgungssicherheit zur Bereitstellung ausreichender Gasmengen möglich ist.
Frage 3:
Die Monaco-Leitung wird im Grün-Roten Antrag als eine wesentliche Veränderung bezüglich der Versorgungssituation am Standort HKW Nord genannt, die nun eine Umrüstung auf Erdgas ermöglichen könnte. Der Bau der Leitung ist jedoch schon lange bekannt. Wieso wurde der Bau der Leitung nicht im TÜV-Gutachten erwähnt?
Antwort:
Seit der Erstellung des Gutachtens des TÜV Süd im Oktober 2019 haben sich bezüglich der Monaco Leitung keine Änderungen ergeben. Diese Erdgasfernleitung zwischen Burghausen und Finsing wurde im Dezember 2018 von der bayernets GmbH in Betrieb genommen. Hiermit wurde einezusätzliche physikalische Verbindung zwischen Ost- und Westeuropa und innerhalb Bayerns geschaffen, die die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Bayern und im süddeutschen Raum erhöht. Finsing ist eine der vier Übergabestellen zwischen Fernleitungen und dem Netz der SWM Infrastruktur GmbH, aus welchem die Kraftwerke in München versorgt werden. Im TÜV Gutachten wurden verschiedene Herausforderungen für den Betrieb des Kohleblocks mit Erdgas hervorgehoben. Eine knappe Versorgung des Standorts HKW Nord mit Erdgas aufgrund von Engpässen im Fernleitungsnetz wurde nicht thematisiert.
Frage 4:
Welche Umbaumaßnahmen am HKW Nord 2 wären bei einer Umrüstung auf Erdgas nötig? Ist eine reine Brennstoffumstellung der Feuerung möglich oder muss auch die gesamte Kesselanlage ausgetauscht werden?
Antwort:
Die SWM hatten beabsichtigt und – konnten dies zum Teil auch durchführen – in der laufenden Heizperiode mit externer Unterstützung in einem laufenden Prozess die Anlage bei Erdgasfeuerung zu überprüfen und vielfältige Messungen durchzuführen. Die Auswertungen und Analysen der aufgenommenen Daten erfolgen aktuell noch.
Die SWM gehen davon aus, dass die erforderlichen Maßnahmen einer Brennstoffumstellung während der geplanten Sommerstillstände umgesetzt werden können. Aussagen zum geplanten zeitlichen Ablauf sind erst nach Vorliegen der Versuchsergebnisse und Ableitung von Maßnahmen möglich (siehe auch Antwort zu Frage 8).
Frage 5:
Kann mit dem Umbau auf Erdgas sichergestellt werden, dass das HKW Nord 2 lediglich in den Wintermonaten genutzt wird, um die nur dann anfallende Wärmelücke zu schließen? Ist es geplant, dass das Kraftwerk auch mit Gas lediglich auf reduzierter Leistung betrieben wird?
Antwort:
Die SWM können nicht sicherstellen, dass das HKW Nord 2 lediglich in den Wintermonaten genutzt wird, erwarten jedoch, dass der Betrieb des auf Erdgas umgestellten Blocks 2 zur Stromproduktion nicht wirtschaftlich ist. Der erreichbare Wirkungsgrad und die Betriebsflexibilität sind deutlich geringer als bei GuD-Anlagen. Bei Nutzung von Erdgas im Block 2 würden die im Stadtrat festgelegten Grenzwerte einer CO2-reduzierten Fahrweise eingehalten.
Frage 6:
Inwiefern würden die Ausmaße der Umbaumaßnahmen eine neue Genehmigung gemäß § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) nach sich ziehen?
Antwort:
Nach aktuellem Sachstand ist eine Umsetzung der möglichen Maßnahmen zum Brennstoffwechsel ohne eine erneute Genehmigung nach §4 BIm-SchG möglich.
Frage 7:
Wäre eine Umrüstung des HKW Nord 2 auf Erdgas innerhalb der bestehenden gültigen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung nach dem BIm-SchG aus den 1980er Jahren rechtlich möglich?
Antwort:
Die SWM gehen davon aus, dass der Erdgasbetrieb von der bestehenden Genehmigung abgedeckt ist. Eine Umsetzung erforderlicher Maßnahmen bedarf nach aktueller Einschätzung keiner erneuten Genehmigung gemäß §4 BImSchG (vgl. Antwort Frage 6).
Frage 8:
Wie schnell würde sich eine Umrüstung des HKW Nord 2 auf Erdgas umsetzen lassen?
Antwort:
Vor der Umrüstung auf Erdgas wären noch einige Schritte notwendig. Erst nach deren Auswertung wäre eine Durchführung einiger erforderlicher Umbaumaßnahmen möglich. Dies sollte ursprünglich im Sommer 2022 erfolgen. Aufgrund der aktuellen Versorgungslage hat der Stadtrat sich dafür ausgesprochen, die Umstellung von Kohle auf Gas zu verschieben. Dementsprechend verschieben sich auch die weiteren ggf. erforderlichen Anpassungsmaßnahmen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.