Wieso hat München den teuersten Strompreis im Land?
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Rathaus Umschau 102 / 2023, veröffentlicht am 31.05.2023
Wieso hat München den teuersten Strompreis im Land?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE. / Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 2.12.2022
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 2.12.2022 führten Sie als Begründung aus: „Ein neuerlicher Schock hat in den letzten Wochen die Münchner*innen per Post erreicht. Die Strompreise der Stadtwerke (SWM) werden zum Beginn des neuen Jahres explodieren. Der Verbrauchspreis in der Grund- versorgung steigt von 25 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) auf etwa 62ct/ KWh – eine Preissteigerung um ganze 148%! Auch die anderen Stromtarife steigen auf ähnliche Höhen. Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von 2.500kWh bedeutet dies Mehrkosten von etwa 900 Euro im Jahr. Hinzukommen die drastisch gestiegenen Heiz- und Lebensmittelpreise. Viele Menschen werden dadurch in existenzielle Schwierigkeiten gebracht.
Die SWM begründen die Preissteigerung mit den Preissprüngen auf den Großhandelsmärkten. ‚Trotz ihrer langfristig angelegten Beschaffung können die SWM die Preissteigerungen im Energie-Großhandel nur geringfügig abmildern.‘1 Andere Energieversorger scheinen diese Schwankungen der Großhandelspreise wesentlich besser abgefedert zu haben. Da es eine Sechswochenfrist zur Ankündigung von Strompreiserhöhungen gibt, stehen die Strompreise zum Jahresbeginn nun fest. Viele haben die Preise erhöht.
Die Tagesschau spricht von einer Preiserhöhungswelle und zeigt gleichzeitig auf, dass München den teuersten Strompreis hat2. Unsere Recherchen bestätigen dies. Aktuelle Preiserhöhungen im Grund- versorgungstarif liegen teilweiße weit unter den Preisen der SWM. Bremen (36ct/kWh), Dortmund (43ct/kWh), Frankfurt (50ct/kWh), Köln (55ct/ kWh), Nürnberg (47ct/kWh) oder Regensburg (37ct/kWh). Berlin (41ct/ kWh) und Hamburg (42ct/kWh) passen ihre Preise erst zum 1. Februar an. Ein Unterschied von 20ct/kWh bedeuten für einen Durchschnittshaushalt 500 Euro pro Jahr. Ein Unterschied, der für viele Verbraucher*innen schwer verständlich sein dürfte, da auch für andere Energieversorger die gleichen Krisenbedingungen gelten. Selbst die Ökostromtarife sind rasant gestiegen. Preise von 58ct/kWh liegen über vielen Grundversorgertarifen anderer Anbieter, obwohl die SWM auf ihrer Homepage schreiben, dass die Kund*innen von den ‚günstigen Tarifen‘ profitieren3. Die Strompreisbremse der Bundesregierung, durch die 80% des Strom- verbrauchs auf 40ct/kWh gedeckelt werden soll, mildert diesen Effekt ab. Die restlichen 20% müssen aber zu den aktuellen Preisen der Energie- versorger gezahlt werden. Dies trifft vor allem auch ärmere Haushalte, da diese schon von jeher sparsamer waren und kaum mehr Einsparpotentiale haben. Die 22ct/kWh Unterschied zum Preis der SWM wird über ein Jahr lang vom Bund übernommen. Stadtwerke, die auch jetzt unter der Grenze von 40 Cent liegen, befürchten schon jetzt, dass sie mit ihren niedrigen Preisen die Verlierer sind4. Die Tagesschau spricht gar von möglichen Mitnahmeeffekten5.
Neben den sehr hohen Verbrauchspreisen stellt sich auch die Frage, ob die SWM mit ihren vielen Strom-Erzeugungsanlagen in und um München, sowie in ganz Europa nicht auch von den hohen Großhandelspreisen profitieren müssten. Mit den eigenen Anlagen und den Beteiligungen in Europa erzeugen die SWM fast doppelt so viel Strom als in München verbraucht wird. Expert*innen haben aufgezeigt, dass mit den hohen Großhandelspreisen in diesem Jahr auch Übergewinne zu erwirtschaften gewesen wären6. Es stellt sich die Frage, wieso die Strompreise für die Kund*innen trotzdem so sehr steigen.“
1https://www.swm.de/presse/pressemitteilungen/2022/11-2022/swm-neue-strompreise 2https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/strom-grundversorgung-preiserhoehungen-101.html
3https://www.swm.de/strom/oekostrom
4https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/arta-sind-die-stadtwerke-dreieich-die-verlierer-der-strom-und-gaspreisbremse
5https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/strom-gaspreisbremse-101.html
6https://www.klimareporter.de/strom/wer-profitiert-von-explodierenden-strompreisen-und-wann
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können anhand einer Stellungnahme der SWM wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Aus welchen Gründen sind die Strompreise der SWM um bis zu 70% teu- rer als bei anderen Energieversorgern von Großstädten, die zum selben Zeitpunkt ihre Preise angepasst haben?
Antwort der SWM:
„Im Vergleich zu anderen Energieversorgern, die teilweise mehrere Jahre im Voraus einkaufen, agieren die SWM weniger langfristig. Diese Beschaffungsstrategie hat 15 Jahre lang zu relativ günstigen Preisen geführt. Im vergangenen Jahr, vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und den unterbliebenen Gaslieferungen, ging diese spezifische Strategie leider nicht auf: Bei stark steigenden Marktpreisen und in der Annahme, dass die Preise zum Jahresende weiter steigen könnten,haben die SWM im August 2022 die noch fehlenden Strommengen für das Jahr 2023 zu aus heutiger Sicht hohen Preisen beschafft, um so die Versorgungssicherheit der Münchner Bürger*innen zu gewährleisten. Leider gehörten die SWM damit erstmalig zu den teuersten Anbietern in Deutschland. Inzwischen haben die SWM den Strompreis für Privat- und Gewerbekund*innen bereits zum 1. April 2023 um 10 Cent je KWh gesenkt.“
Frage 2:
Ist die Beschaffungsstrategie der SWM für Strom weniger langfristig als bei anderen Stadtwerken?
Antwort der SWM:
„S. Antwort 1.“
Frage 3:
Wann können die Münchner*innen mit einer Reduzierung der Strompreise rechnen?
Antwort der SWM:
„S. Antwort 1.“
Frage 4:
Laut Geschäftsbericht 2021 machen die SWM mit 34 TWh Strom Umsatz. Dies ist in etwa das Vierfache des Münchner Strombedarfs von 7,2TWh und auch wesentlich mehr, als die SWM an Strom erzeugen. Wie erklärt sich diese hohe Differenz7?
7https://www.swm.de/dam/doc/swm/swm-geschaeftsbericht.pdf (Seite 33)
Antwort der SWM:
„Im Konzernabschluss der SWM sind alle Strommengen des SWM Konzerns enthalten, die Gegenstand eines Geschäfts sind. Das sind neben den Strommengen, die die SWM selbst betreffen, auch Mengen, welche Beteiligungen wie z.B. die ESB verkaufen und handeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die SWM und ihre Beteiligungen Geschäfte an den Energiemärkten tätigen. Die den jeweiligen Geschäften zugrunde liegende Strommenge fließt in die im Geschäftsbericht genannte Umsatzmenge ein.“
Frage 5:
Mit wie viel Geld rechnen die SWM vom Bund im Zuge der Strompreis- bremse für das Jahr 2023?
Antwort der SWM:
„Zum heutigen Zeitpunkt kann man die Summe der Entlastungsbeträge für SWM-Kunden nicht abschätzen.“
Frage 6:
Nutzen die SWM durch die Strompreiserhöhung gezielt Mitnahmeeffekte mit der Strompreisbremse?
Antwort der SWM:
„Nein. Auf die Kalkulation der Preise hat die Entlastung der Endkunden durch die Strompreisbremse keinen Einfluss.“
Frage 7:
Machen die SWM im Jahr 2022 mit ihrer Stromerzeugung höhere Ge- winne als im letzten Jahr? Falls ja, wie hoch? Und falls nicht, aus welchen Gründen nicht?
Antwort der SWM:
„Die SWM verkaufen die erzeugten Strommengen bis zu drei Jahre im Voraus. Die Preise an den Energiemärkten sind ab dem zweiten Halbjahr 2021 deutlich gestiegen und seit Herbst 2022 wieder deutlich gesunken, so dass die hohen Preise nur für einen Teil der Strommengen relevant waren. Die SWM gehen aber davon aus, dass sie dieses Jahr trotzdem einen deutlichen höheren Erlös sehen werden. Seit Dezember 2022 greift allerdings die Erlösabschöpfung durch den Staat, von der auch die SWM betroffen sind.
Die SWM haben aber zwei Entscheidungen getroffen, damit davon auch die Kund*innen profitieren: Es wurden 20 Millionen für einen Wärmefonds bereitgestellt, der Geringverdiener unterstützt. So kommt nicht wenig bei allen an, sondern mehr bei denen, die es brauchen. Weitere zehn Millionen sind in einen Fernwärmefonds geflossen, um die Umstellung von Gas auf Fernwärme zu beschleunigen.“
Frage 8:
Wie hoch fällt der Gewinn der SWM in 2022 aus?
Antwort der SWM:
„Mit der Landeshauptstadt München, Eigentümerin der SWM, ist grundsätzlich eine jährliche Gewinnausschüttung von 100 Millionen Euro vereinbart. Dieses Ergebnis konnte 2022 nicht erreicht werden. Die Stadtwerke München GmbH hat ein Ergebnis nach Steuern von 74 Millionen Euro erwirtschaftet. Aus diesem Grund kann sie auch nur 74 Millionen Euro stattder sonst üblichen 100 Millionen Euro an die Landeshauptstadt München abführen. Zusammen mit Gewerbesteuer und Konzessionsabgaben fließen knapp 250 Millionen Euro von den SWM in den Haushalt der Landeshauptstadt und damit sogar mehr als im Vorjahr (231 Millionen Euro). Zudem tragen die SWM die strukturellen Verluste der Bäder sowie neben der LHM auch die der Mobilität.“
Frage 9:
Wieso sind selbst die Ökostrom-Tarife viel teurer als die Grundversorger Tarife anderer Städte?
Antwort der SWM:
„Die SWM bezahlen für den für die Belieferung ihrer Kunden bezogenen Strom einen Preis, der sich maßgeblich aus den Preisen an den Energiemärkten bestimmt. Die Preise an den Energiemärkten unterscheiden nicht zwischen konventionell produziertem Strom (z.B. aus Gas, Kohle, Kernenergie) und grünem Strom aus erneuerbaren Energien. Dort bestimmt die teuerste Produktionsart, was der Strom kostet, dies war in den vergangenen Monaten der Gaspreis – deshalb sind die Preise z.B. an der Börse in den vergangenen zwei Jahren förmlich explodiert.
Ganz grundsätzlich gilt: Erst durch die zusätzliche Beschaffung von Herkunftsnachweisen von Anlagenbetreibern von erneuerbaren Energien wird aus „normalem“ Strom Ökostrom. Deshalb ist Ökostrom in der Regel auch etwas teurer.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.