An den internationalen, tödlichen Terroranschlag vom 10. Februar 1970 am ehemaligen Flughafen München-Riem erinnert künftig ein Gedenkort. Zentraler Bestandteil ist eine über acht Meter hohe Skulptur aus Stahl und Bronze der international renommierten Künstlerin Alicja Kwade. Begleitende Informationen für den Gedenkort erarbeitet das Kulturreferat im Austausch mit Angehörigen der Opfer. Das Gesamtprojekt wird von der Stadt München in Kooperation mit der Brainlab AG umgesetzt, die auch einen Großteil der Finanzierung übernimmt. An der Firmenzentrale des global tätigen Medizintechnikunternehmens liegt der historische Tatort am ehemaligen Flughafen München-Riem.
Das Foto (© Studio Kwade) zeigt ein 3D Modell des künstlerischen Entwurfs. Brainlab CEO Stefan
Vilsmeier: „Wir entwickeln innovative Medizintechnologie und betrachten die Partnerschaft mit der Stadt München als Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Kunst und Kultur spielen eine vielschichtige Rolle in unserem Unternehmen, wir fördern aktiv unterschiedlichste Kulturprojekte und geben ihnen Raum. Für mich ist es eine besondere Verantwortung, am Ort unserer Firmenzentrale an ein einschneidendes geschichtliches Ereignis zu erinnern – nicht nur gegenüber unseren internationalen Mitarbeiter*innen, sondern auch für die ganze Stadtgesellschaft.“
Am 10. Februar 1970 drangen bewaffnete Terroristen über den Transitraum gewaltsam auf das Rollfeld des Flughafens ein und attackierten die Abfertigung eines Flugs der israelischen Fluggesellschaft El Al. Die mutmaßlich jordanisch-stämmigen Männer handelten im Auftrag einer palästinensischen Terrororganisation und warfen Sprengkörper auf Fluggäste und Sicherheitskräfte. Der Israeli Arie Katzenstein war mit seinem Vater Heinz in einem Transferbus auf dem Rollfeld, als er, andere Fluggäste schützend, tödlich getroffen wurde. Neun weitere internationale Fluggäste wurden zum Teil schwer verletzt, unter ihnen der Vater des Todesopfers und die deutsch-israelische Schauspielerin Hanna Maron.
Kulturreferent Anton Biebl: „Auf München richtete sich in den 70er Jahren internationale Aufmerksamkeit – auch von terroristischen Kommandos. Sie trafen die angehende Weltstadt mitten ins Herz. Wir halten die Erinnerung wach, gedenken der Opfer und setzen uns aktiv mit unserer und in diesem Fall auch der internationalen Geschichte auseinander. Die Skulptur von Alicja Kwade wird wesentlicher Teil des geplanten Erinnerungsorts München-Riem 1970 sein. Wenn Worte unzureichend sind, eröffnet die Kunst zusätzliche Perspektiven.“
Der Zeitpunkt des Anschlags ist Teil der künstlerischen Gestaltung von Alicja Kwade. Ihre Metallskulptur wird zentraler Bestandteil des Gedenkortes. Drei stählerne Rahmen fassen bronzene Ziffernblätter ein, die an die Uhr des alten Flughafentowers erinnern und ähnlich dimensioniert sind. Sie machen die zeitlichen und internationalen Dimensionen des Ereignisses und seiner Tragweite räumlich spürbar. Das Ensemble wird öffentlich zugänglich sein und die Menschen in einer räumlich-künstlerischen Erfahrung an die historische Auseinandersetzung heranführen.
Alicja Kwade zählt zu den international renommiertesten Künstler*innen der Gegenwart. Die in Berlin lebende Kwade wird weltweit ausgestellt, hat unter anderem den Dachgarten des Metropolitan Museums of Modern Art in New York gestaltet, war Teilnehmerin der 57. Venedig Biennale 2017 und ist mit der Arbeit „Bavaria“ Teil des Programms Public Art München. Alicja Kwades Arbeiten sind konzeptionell verankert in naturwissenschaftlichen und philosophischen Diskursen, sie verhandelt die gesellschaftliche Wahrnehmung von Realität, subjektiver und objektiver Erkenntnis. Alicja Kwade: „Ich bin gerührt und geehrt, das Denkmal für Arie Katzenstein und die anderen Opfer erstellen zu dürfen. Es ist das erste Denkmal, das ich machen darf, und ich stelle mich dieser Aufgabe sehr ehrfürchtig entgegen, und hoffe, hier einen Moment des Bewusstseins und der Erinnerung zu schaffen. In diesem Zuge wird es mir eine Ehre sein, die Familie Katzenstein persönlich kennen zu lernen.“
Der Name Arie Katzenstein wird im Kunstwerk verewigt. Er lebte mehrere Jahre mit seiner Familie in München, sein Vater stammte aus Deutschland. Im Jahr 2020 suchten seine Kinder den Austausch mit dem Kulturreferat und brachten sich seither ein, gemeinsam eine lebendige Erinnerung an den Anschlag zu gestalten. Sie sind für die Präsentation des Kunstwerks nach München gekommen und tragen zu den Recherchen und zur inhaltlichen Gestaltung bei.
Miki Dror und Ofer Katzenstein: „Wir hoffen, dass am alten Flughafen nicht nur die Erinnerung an unseren Vater und die persönliche Tragödie unserer Familie wachgehalten werden. Sondern, dass ein Ort entsteht, an dem sich viele Stadtbewohner*innen und insbesondere junge Menschen gerne aufhalten, um sich zu informieren – und ein Ort der Vermittlung und Kunst. Unser Vater, der lebenslustig, gesellig und sportbegeistert war, hätte sich darüber gefreut.“
Das Foto (© Tobias Hase) zeigt Ofer Katzenstein (v.l.n.r.), Miki Dror, Alicja Kwade, Stefan Vilsmeier und Anton Biebl bei der Vorstellung des Gedenkorts München-Riem 10. Februar 1970
Achtung Redaktionen: Kontakt für Rückfragen sowie weiteres Bildmaterial per E-Mail an public-history@muenchen.de oder telefonisch unter 233-21647.