Braucht der Klapperstorch Unterstützung?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Sabine Bär, Beatrix Burkhardt, Michael Dzeba, Alexandra Gaßmann, Ulrike Grimm, Winfried Kaum, Heike Kainz, Jens Luther und Rudolf Schabl (Stadtratsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) vom 9.12.2022
Antwort Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Für werdende Mütter, aber auch Väter, sind Hebammen genau die An- sprechpersonen, die in einer sowieso schon turbulenten Lebensphase nicht wegzudenken sind. Das gilt sowohl in der unerlässlichen Vorsorge als auch in der notwendigen Nachsorge. Ganz besonders wichtig ist die Be- gleitung einer Schwangeren durch eine Hebamme jedoch bei der Geburt. Deswegen muss unbedingt sichergestellt werden, dass eine gute und aus- reichende Betreuung der werdenden Mütter durch Hebammen vorhanden ist.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die darin aufgeworfenen Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung der Stellungnahme der München Klinik wie folgt:
Frage 1:
Wie stellt sich die derzeitige Versorgungslage werdender Mütter mit Hebammen in
a) der Vorsorge und
b) der Nachsorge dar?
Antwort:
Wie in der Stadtratsvorlage Nr. 20-26/V 07393 „Verlängerung des Förderprogramms Geburtshilfe“ vom 20.10.2022 dargestellt, hat das Gesundheitsreferat (GSR) im Jahr 2022 eine Hebammenbefragung in München durchgeführt. Die Ergebnisse wurden dort ausführlich dargestellt. Bei der Befragung wurden 484 bei der Landeshauptstadt München (LHM) gemeldete Hebammen zu ihrer Arbeitssituation befragt. Der Rücklauf betrug 35% (142 Hebammen):
-82 Hebammen gaben an, in der Schwangerschaftsvorsorge im Stadtgebiet München tätig zu sein (n = 140: 58,5%).
-43 Hebammen gaben an, in der Geburtshilfe tätig zu sein (n = 140: 30,7%). Es ist wichtig zu beachten, dass ausschließlich freiberuflich tätige Hebammen befragt wurden. Diese sind entweder als Belegheb-ammen in der stationären Geburtshilfe oder in der außerklinischen Geburtshilfe tätig. In der stationären Geburtshilfe arbeiten zusätzliche fest angestellte Hebammen.
-121 Hebammen gaben an, in der Wochenbettbetreuung im Stadtgebiet München tätig zu sein (n = 140: 86,4%).
Die Ergebnisse lassen sich nicht verlässlich auf die Gesamtheit der kontaktierten Hebammen übertragen. Aufgrund der Rücklaufquote von nur 35% ist zu vermuten, dass mehr Hebammen zur Verfügung stehen.
Seit 2019 wird mit finanzieller Förderung der LHM und des Förderprogramms Geburtshilfe die Hebammenvermittlungszentrale HebaVaria e.V. (https://www.hebavaria.de/) betrieben. Das Leistungsangebot umfasst u.a. eine Unterstützung bei der Suche nach einer Hebamme für Schwangere, die bis zur 34. Schwangerschaftswoche keine Hebamme gefunden haben und einen aufsuchenden Hebammendienst für Frauen, die bis zur Geburt keine Hebamme gefunden haben. Die Rückmeldungen von Frauen zeigen, dass dieses Angebot sehr gut angenommen wird und die Vermittlungsquote hoch ist. Letztmalig wurde dem Stadtrat dazu ebenfalls in der o.g. Sitzungsvorlage berichtet.
Frage 2:
Wie stellt sich die Versorgungslage werdender Mütter mit Hebammen zur Geburt selbst sowohl in den Kliniken als auch bei der ambulanten Geburt dar?
Antwort:
München verfügt aktuell über zehn Geburtskliniken oder geburtshilfliche Abteilungen. Die Anzahl der Entbindungszimmer (Kreißsäle) sowie die Anzahl der angestellten/freiberuflichen Hebammen in Vollzeitäquivalenten wird vom GSR im Rahmen einer Evaluation der geburtshilflichen Kapazitäten in diesem Jahr erneut erhoben. Die Ergebnisse der Evaluation werden dem Stadtrat noch in 2023 vorgestellt (siehe hierzu auch die Antwort auf Frage 4).
Die Anzahl der außerklinischen Geburten beläuft sich bundesweit auf 1 bis 2% der Gesamtgeburtenzahl und stellt somit für die Mehrheit der Frauen keine Alternative zur Klinikgeburt dar. In München gibt es aktuell drei Geburtshäuser. Das Geburtshaus an der Theresienwiese (https://geburtshaus-theresienwiese.de/) wird nach Mitteilung der Hebammen zum 31.8.2023 aufgrund von Fachkräftemangel schließen. Daneben gibt es einzelne freiberufliche Hebammen, die Hausgeburtshilfe anbieten.Die München Klinik nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: „Die Hebammenversorgung in den München Kliniken ist derzeit gesichert. Während der Geburt wird sowohl im angestellten als im freiberuflichen System eine 1:1 Betreuung und in Zeiten hoher gleichzeitiger Geburtenzahlen maximal eine 1:2 Betreuung realisiert. Als Einrichtung der stationären Versorgung bietet die München Klinik strukturell keine ambulanten Geburten an.“
Frage 3:
Ist ersichtlich, wie viele werdende Mütter in München entbinden – vor allem vor dem Hintergrund von Schließungen und Rückbau von Entbindungsstationen im Münchner Umland? D.h. ist eine Steigerung gegenüber den Vorjahren zu erkennen?
Antwort:
Die Geburten in München der letzten Jahre sind folgender Tabelle zu entnehmen:
Quellen: Geburten in München: Standesamt München und Pasing Hinweis: Nachbeurkundungen von Auslandsgeburten (das bedeutet gemeldeter Wohnsitz mindestens eines Elternteils in München) sind hier nicht eingeschlossen.
Geburten Münchenerinnen: Münchner Hauptwohnsitzbevölkerung (Kreisverwaltungsreferat – Einwohnermelderegister)
Frage 4:
Welche Auswirkungen auf die Versorgungssituation hat die Schließung der geburtshilflichen Abteilung in Neuperlach?
Antwort:
Die Vollversammlung des Münchner Stadtrats hat mit dem Beschluss zur Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 12712 „Geburtshilfe III – Protest gegen Schließung der Geburtsabteilung des Städt. Klinikums Neuperlach“ vom 27.11.2018 festgelegt, die Geburtshilfe am Standort Neuperlach bis 2024 zu erhalten (Beschlusspunkt 3). Außerdem wurde das GSR mit diesem Beschluss beauftragt, „die Versorgungssituation in der Geburtshilfe im Jahr 2023 zu evaluieren und dem Stadtrat erneut zu berichten“ (Beschlusspunkt4) sowie anschließend „eine Beschlussfassung über den Fortbestand oder die Schließung der Geburtshilfe am Standort Neuperlach über das Jahr 2024 hinaus in den Stadtrat einzubringen“ (Beschlusspunkt 5).
Das GSR hat dementsprechend bereits die Planungen für die Evaluation der Geburtshilfe in München aufgenommen. Der Stadtrat wird noch in 2023 über die Ergebnisse der Evaluation informiert.
Die München Klinik nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: „Im Neubau der München Klinik Harlaching können bis zu 4.000 Geburten pro Jahr stattfinden. Alle mütterlichen und fetalen Risiken können dabei durch die Strukturvoraussetzungen des extern zertifizierten Perinatalzentrums Level 1 abgedeckt werden. Derzeit finden in der Frauenklinik Harlaching ca. 2.300 Geburten/Jahr im Level 1 Zentrum statt. In der Frauenklinik Neuperlach findet derzeit eine strenge Risikoselektion bei der Anmeldung zur Geburt statt. Die in dieser Weise risikoreduzierte Gruppe von ca. 1.300 Geburten/Jahr könnte strukturell dabei im Neubau Harlaching zusätzlich versorgt werden. Die im SUK geplante Zusammenführung der Geburtshilfe in Harlaching böte aus Sicht der München Klinik die einzige langfristig tragfähige Möglichkeit, dem zunehmenden Fachkräftemangel in Medizin und Pflege entgegenzuwirken. Die steigenden Anforderungen an die Personalausstattung, -vorhaltung und -qualifizierung werden ansonsten zu Versorgungsengpässen in der Zukunft führen.“
Frage 5:
Wie stellt sich für die werdenden Mütter die Suche nach Hebammen in den drei Zeitabschnitten Vorsorge, Geburt und Nachsorge dar? Wie viel vor der Geburt muss sich die werdende Mutter durchschnittlich um eine Hebamme bemühen?
Antwort:
Im Jahr 2018 wurde im Rahmen einer Studie auch eine Hebammen-Befragung in München durchgeführt.₁
Laut dieser Erhebung aus 2018 war die Wochenbettbetreuung mit 95% die am meisten in Anspruch genommene Hebammenleistung. Zwei Drittel aller Frauen fragten Hebammenleistungen während der Schwangerschaft nach. Aus der Perspektive der Mütter zeigen sich demnach Schwierigkeiten bei der Hebammensuche. Insgesamt gaben 40% der Mütter in München an, dass es (sehr) schwierig war, eine Hebamme zu finden. Knapp 30% der befragten Mütter gaben an, mehr als sieben Hebammen kontaktiert zu haben. Die Schwangerenvorsorge als Hebammenleistung wurdevon den Frauen weniger nachgefragt. Als Gründe gaben die Schwangeren an, bereits umfangreich von einer gynäkologischen Praxis betreut zu werden, oder die Frauen hatten bereits genügend Erfahrungswissen bei einer Folgeschwangerschaft.
Das GSR geht jedoch davon aus, dass diese Zahlen nicht mehr aussagekräftig sind und aktuell nur noch eine Tendenz abbilden. Dies vor dem Hintergrund, dass 2019 die Hebammenvermittlungszentrale HebaVaria e.V. ihre Arbeit aufgenommen hat und sehr erfolgreich in die Wochenbettbetreuung vermittelt.
Die Antwort zu dem Zeitabschnitt „Geburt“ entnehmen Sie bitte der Antwort auf Frage 2.
Frage 6:
Wie viele Hebammen gibt es derzeit in München, sowohl freiberuflich als auch angestellt?
Antwort:
Wie in Frage 1 dargestellt, erfolgte in 2022 eine Hebammenbefragung. Die Ergebnisse, die auch die Anzahl der in München freiberuflich tätigen Hebammen betreffen, wurden dort ausführlich berichtet. Zur Gesamtzahl der in München angestellten Hebammen liegen dem GSR keine Daten vor. Hebammen können sowohl nur freiberuflich, nur angestellt, als auch freiberuflich und gleichzeitig angestellt tätig sein. Nur freiberuflich tätige Hebammen müssen sich beim GSR anmelden.
Die München Klinik nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: „In der München Klinik gibt es Stand Dezember 2022 insgesamt 75,24 VK angestellte und freiberufliche Hebammen.“
Frage 7:
Was kann die Landeshauptstadt München tun, um die Ansiedelung von Hebammen zu erleichtern?
Antwort:
Das GSR berichtet dem Stadtrat regelmäßig über seine Bemühungen um die Ansiedlung von Hebammen, zuletzt im Herbst 2022. Der aktuelle Fokus liegt auf der Umsetzung des Geburtshilfeförderprogramms des Freistaats Bayern, das von der LHM zu 10% finanziert wird.
Das GSR hat sich vielfach um die Ansiedlung von Hebammen bemüht, Beispiele: In der Vergangenheit hat sich das GSR mit Erfolg für die Etab-lierung eines Hebammenstudiengangs in München eingesetzt. Im Jahr 2019 wurde an der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) ein Hebammenstudiengang neu etabliert und damit die Akademisierung des Berufes in der LHM vorangetrieben. Für die LHM ist es von Vorteil, eine Ausbildungsstätte zu beherbergen, da sich viele junge Kolleg*innen nach dem Studium ggf. in München niederlassen.
Aktuell plant das Sozialreferat in Kooperation mit dem GSR einen Anpassungslehrgang für Hebammen mit ausländischem Abschluss. Im Rahmen dieser Kooperation hat das GSR die Erstellung und Finanzierung eines Modulhandbuchs übernommen.
Die bereits oben genannte Hebammenvermittlungszentrale HebaVaria e.V. wird zu einem Teil ebenfalls über die Geburtshilfe-Richtlinie, aber auch mit erheblichen städtischen Mitteln finanziert und hat sich als eine Hebammenvermittlungszentrale mit aufsuchendem Hebammen-Haus-
besuchsdienst zu einem Erfolgsprojekt entwickelt.2 Diese bietet auch Unterstützung von Hebammen im beruflichen Alltag an. Der Verein organisiert Fortbildungen, um den Hebammen die laut Berufsordnung vorgeschriebene Fortbildungspflicht zu erleichtern und bietet den freiberuflichen Hebammen eine Urlaubs- und Krankheitsvertretung an, so dass sie mehr Frauen zur Betreuung bis kurz vor Urlaubsbeginn annehmen können. Zusätzlich unterstützt HebaVaria e.V. das Qualitätsmanagement, das mittlerweile für freiberufliche Hebammen verpflichtend ist und laut Hebammenbefragungen eine Hürde bei der Berufsausübung darstellt.
Die München Klinik nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: „Die Rekrutierung von Hebammen erfolgt nach den gleichen Prinzipien wie bei allen Mitarbeitenden in Pflege und Medizin. Grundvoraussetzungen sind ein sicherer Arbeitsplatz mit klarer Perspektive und langfristiger Strategie sowie die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum.“
Frage 8:
Gibt es finanzielle Einbußen für die Hebammen, wenn die Einrichtung in Neuperlach geschlossen wird?
Antwort:
Über den Fortbestand oder die Schließung der Geburtshilfe am Standort Neuperlach über das Jahr 2024 hinaus entscheidet der Stadtrat, vgl. auch Antwort zur Frage 4.Die München Klinik nimmt zu dieser Frage wie folgt Stellung: „Die geplante Migration der Geburtshilfe aus Neuperlach nach Harlaching soll bei keiner/keinem der Mitarbeitenden zu finanziellen Einbußen führen, so auch den Hebammen. Durch die Migration würde im Gegenteil der Arbeitsplatz gesichert, da eine langfristige Perspektive im Perinatalzentrum Level 1 gegeben ist. Die München Klinik wird allen Mitarbeitenden ein vergleichbares Beschäftigungsverhältnis an einem anderen Standort der München Klinik anbieten. Angestellte Hebammen könnten zudem auf freiwilliger Basis in das bestehende Beleghebammensystem an der München Klinik Harlaching wechseln. Finanzielle Einbußen wären damit nicht verbunden, da die Einkommenssituation von Beleghebammen nach Kenntnis der München Klinik die Vergütung im Hebammen-Anstellungsverhältnis deutlich übersteigt.“
Ich bitte darum, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1Sander M, Albrecht M, Loos S. & Stengel V. (2018): Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat Bayern – Kurzfassung
2Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 17369 : Berichterstattung über die bewilligten Maßnahmen und Projekte des Förderprogramms Geburtshilfe vom 12.3.2020